Zu Hause die Kinder betreuen: Traum oder Albtraum?

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Die Wogen gehen hoch – vor allem bei manchen Mama-Blogs, die das Konzept der kindergartenfreien Erziehung leben. Sie fühlen sich von dem kürzlich erschienenen Artikel in der "Berliner Zeitung" missverstanden und absichtlich in ein schräges Licht gerückt.

Bei der kindergartenfreien Erziehung geht es darum, dass (vor allem) Mütter die Betreuung ihrer Kinder bis zur Schule – und manchmal auch darüber hinaus – selbst übernehmen. Viele Eltern misstrauen der Institution Kindergarten, da sie glauben, dass die Bedürfnisse ihres Kindes nicht adäquat wahrgenommen werden. "Keiner kennt meinen Sohn so gut wie ich, keiner kann so gut auf seine Signale eingehen", wird eine Mutter in der "Berliner Zeitung" zitiert.

Sozialverhalten und Frauen in der Falle

Die Plattform kindergartenfrei.org will Eltern, die dieses Konzept leben oder leben wollen, vernetzen und zählt dabei Gründe für die kindergartenfreie Erziehung auf. Ein weniger hektischer Lebensalltag, weniger Gruppenzwang, die Kinder seien keiner unnatürlichen, weltfremden Umgebung ausgesetzt – das sind nur ein paar der dort beschriebenen Vorteile. Außerdem wird die Beziehung zu den Erzieherinnen als Geschäftsbeziehung angesehen, die kein natürliches Sozialverhalten vermitteln könne, und traumatische Prägungen seien wahrscheinlicher, da es kaum Rückzugsorte gibt.

Den Vorwurf, dass aus Kindern, die eine Krabbelstube oder einen Kindergarten besucht haben, unsichere und depressive Erwachsene werden, weist Susanne Viernickel, Professorin an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig, zurück, da es hier aus wissenschaftlicher Sicht keine Zusammenhänge gibt.

Kritiker der kindergartenfreien Erziehung sehen vor allem Frauen in der Falle, da sie zum Großteil diejenigen sind, die zu Hause bleiben. Der Wiedereinstieg in den Job ist nach sechs Jahren Auszeit eine große Herausforderung, und durch die fehlenden Pensionsjahre wird die Altersarmut bei Frauen, die durch das Modell in eine finanzielle Abhängigkeit ihrer Partner geraten, weiter ansteigen. Dieser Sorge wird häufig damit begegnet, dass eine staatliche Pension ohnehin fraglich sei und dass man am Ende des Lebens nicht bereuen möchte, zu wenig Zeit mit seinen Kinden verbracht zu haben.

Was sind die Beweggründe der kindergartenfreien Erziehung?

Haben Sie den Eindruck, dass die Bedürfnisse Ihres Kindes im Kindergarten wahrgenommen werden? Oder misstrauen Sie dem Kindergarten? Was bedeutet das für (meist) Frauen, wenn sie sich so lange aus dem Arbeitsleben verabschieden? Was spricht für und was gegen das kindergartenfreie Modell und den Kindergarten? (haju, 8.8.2018)