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Es kommt auf jede Stimme an. 2015 stimmten irische Bürgerinnen und Bürger bei einem Verfassungsreferendum für die gleichgeschlechtliche Ehe.

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Frankreich, 2016. En-Marche-Mitglieder werben von Tür zu Tür für Macrons Bewegung.

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Dieser Beitrag enthält eine Einladung zu einer Veranstaltung bei den Politischen Gesprächen im Europäischen Forum Alpbach am 26. August – für zehn Leserinnen und Leser des STANDARD. Mehr Informationen dazu finden Sie am Ende dieses Textes.

Einsame Entscheidungen sind passé

Sie haben grundverschiedene Weltanschauungen: Emmanuel Macrons "En Marche", die italienische Fünf-Sterne-Bewegung und Jeremy Corbyns "Momentum", aber im politischen Handwerk haben sie etwas gemeinsam: Alle drei setzen stark auf den Ausbau von Bürgerbeteiligung. Warum machen sie das?

Partizipation ist zum "Duft des Monats" im politischen Alltag geworden: Waren einsame Entscheidungen hinter verschlossenen Türen bis vor kurzem üblich, so versuchen sich Parteien und Staat heute zunehmend in direkter Demokratie. Kandidatenlisten, Gesetzesentwürfe und Budgets – plötzlich sollen möglichst viele Entscheidungen von uns Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden.

Österreichs Parteien sind Nachzügler

Für die Demokratie ist das spürbar eine positive Entwicklung, denn wer an einer Entscheidungsfindung beteiligt ist, der kann auch mit dem Ergebnis besser leben. Beispiele im Kleinen wie im Großen zeigen das – von Bürgerbudgets in Gemeinden bis zu einem Gesetzesentwurf in Frankreich, an dem mehr als 21.000 Menschen online mitgeschrieben haben.

Wie bei jedem Kulturwandel gibt es auch in diesem Fall Vorreiter und Schlusslichter, wobei Österreichs Parteien zweifellos zu den Nachzüglern zählen. Man halte sich nur die beharrliche Weigerung heimischer Parteikader vor Augen, Mitglieder bei der Auswahl der Spitzenkandidaten mitreden zu lassen. Woher kommt das?

Vorurteil Schwarmdummheit

Nicht wenige österreichische Parteimanager antworten auf diese Frage mit Wörtern wie "Schwarmdummheit": Bürgerinnen und Bürger seien uninformiert, würden die Zusammenhänge nicht verstehen, und überhaupt hätten wir eine repräsentative Demokratie, und das aus gutem Grund. Das Misstrauen gegenüber dem Volk und die Angst vor den eigenen Mitgliedern scheinen tief zu sitzen. Wie kann man dieses Denken überwinden?

Richtig gemacht, funktioniert Bürgerbeteiligung

Ein positives Beispiel dafür ist die irische Regierung: Sie hat es geschafft, mit einer "Constitutional Convention" mutig einen neuen Weg zu beschreiten. Für die Überarbeitung der Verfassung lud die Regierung 100 Personen ein: einen unabhängigen Vorsitzenden, vier Vertreter der Parteien, 29 Parlamentarier – und 66 Bürgerinnen und Bürger. Sie wurden über ein Zufallsverfahren ausgewählt – aus allen Schichten und Regionen.

An zehn Wochenenden verteilt über ein Jahr brachten die ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Gedanken ein, fanden Kompromisse und stimmten Vorschläge ab. In mehreren heiß umkämpften Punkten fanden die Bürgerinnen und Bürger eine Einigung – von der Senkung des Wahlalters bis zur gleichgeschlechtlichen Ehe.

Bürgerbeteiligung funktioniert also – wenn man es richtig macht. Und sie kann auch als Inspiration und Mutmacher dienen. (Edward Strasser, 25.7.2018)