Bild nicht mehr verfügbar.

Der ehemalige Cricketstar Imran Khan hofft, dass endlich sein politisches Stündchen geschlagen hat.

Foto: Reuters/AKHTAR SOOMRO

Bild nicht mehr verfügbar.

Ex-Premierminister Nawaz Sharif sitzt in Rawalpindi in einem Hochsicherheitsgefängnis.

Foto: AP/Anjum Naveed
Foto: APA

Islamabad/Wien – Anfang 2018 gab es in Pakistan zum ersten Mal seit Jahren eine Woche ohne einen einzigen Terrortoten. Zeitweise verzeichnete das Land sogar weniger Terroropfer als Indien. Die Hoffnung, dass die Parlamentswahlen, zu denen am Mittwoch mehr als 100 Millionen Wähler aufgerufen sind, friedlich ablaufen würden, war groß.

Doch spätestens vor zwei Wochen wurde sie zunichtegemacht. Am damaligen Dienstag forderte ein Selbstmordanschlag bei einer Wahlveranstaltung in Peschawar zwanzig Tote. Am darauffolgenden Freitag töteten Terroristen vier Menschen bei einer anderen Wahlveranstaltung in Bannu. Ein weiterer Anschlag in Baluchistan am selben Tag forderte 149 Tote, und am Sonntag wurde im Norden des Landes ein Regionalführer getötet.

Auch bei den anderen verheerenden Anschlägen waren regionale Parteiführer unter den Toten. "Wirklich beängstigend ist eine Tendenz seit den Afghanistan-Kriegen, gezielt Führungspersonal zu eliminieren", sagt der Pakistan-Experte Wolfgang-Peter Zingel vom Südasien-Institut der Uni Heidelberg zum STANDARD. Pakistans Parteiensystem ist auf Familienclans aufgebaut, Wahlen sind also immer Persönlichkeitswahlen. In Europa erinnert man sich noch an einen traurigen Höhepunkt dieser politischen Logik – die Ermordung von Benazir Bhutto 2007.

Bhuttos Partei, die Volkspartei, ist in aktuellen Umfragen weit abgeschlagen. Viel eher liefern sich Nawaz Sharifs PML-N und die PTI, die der frühere Cricketstar Imran Khan anführt, ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Auch stehen ultrareligiöse islamische Parteien zur Wahl. Umfragen geben ihnen zwar kaum Chancen, aber sie etablieren einen neuen Ton: Der ehemalige Playboy Khan tweetet heute als religiös Geläuterter Gebete. Während er mit einem neuen Stil gegen Korruption wirbt, munkeln viele, dass er in Wahrheit vom mächtigen Militär unterstützt wird.

Militär als einzige Konstante

Dieses hält Zingel für die "vielleicht bestfunktionierende Institution" des Landes. "Gegen das Militär gehen sehr viele Dinge nicht." Doch genau mit dem Militär liefert sich Khans Gegenspieler Sharif seit Jahren einen Machtkampf. Bezeichnend ist, dass Sharif seit knapp zwei Wochen im Gefängnis sitzt.

An dem Freitag, an dem mehr als 150 Menschen bei Anschlägen getötet wurden, saß Sharif im Etihad Airline-Flug 243 von London nach Lahore. Er wusste, dass er bei der Ankunft verhaftet werden würde. "Ich weiß, dass ich bei meiner Rückkehr nach Pakistan direkt ins Gefängnis gebracht werde", sagte er auf einem Video. Sharif kennt die pakistanische Politik. Er war bereits dreimal Premierminister von Pakistan, zuletzt bis vor einem Jahr. Doch im vergangenen Juli hat ihn das Oberste Gericht wegen Korruption des Amtes enthoben. Dokumente aus den Panama Papers zeigten fragwürdige Immobilienbesitze auf.

Sharif warf wiederum dem Gericht vor, bloß als Militärmarionette zu agieren. Er floh damals ins Exil nach London. Vor vier Wochen kam dann der Urteilsspruch in seiner Abwesenheit: zehn Jahre Haft. Doch anstatt im Exil zu bleiben, entschloss sich Sharif, nach Pakistan zurückzukehren und somit direkt in Haft zu wandern.

Gefängnis oder Macht

"Wenn Sie sich die Geschichte Pakistans anschauen, dann haben Sie immer wieder Figuren, die entweder im Gefängnis oder an der Macht sind", sagt Zingel. Er sieht das als Fortsetzung des Mehrheitswahlrechts, sprich des Prinzips The winner takes it all. "Die, die gerade an der Macht sind, verhalten sich sehr ungeniert und werfen ihre Gegner ins Gefängnis, manchmal bringen sie sie auch um." Demnach wechseln die mächtigen Clanführer je nach politischer Situation im Land zwischen Heimat und Exil.

In den 1970ern hätte Zulfikar Ali Bhutto etwa die Chance gehabt, ins Ausland zu gehen, hat es aber nicht getan. Schließlich hat man ihn 1979 in Rawalpindi gehenkt. Benazir Bhutto hat man 2007 gewarnt, wieder zurückzukehren. Sie tat es trotzdem – und wurde umgebracht. "Es ist ein sehr gefährliches Spiel", so Zingel.

Wahlmanipulation

Ob Sharif sich gegen das Militär durchsetzen kann, ist eine offene Frage. Auch herrscht grundsätzlich Sorge, dass das mächtige Militär die Wahl manipulieren könnte. 370.000 Soldaten bewachen die landesweiten Urnengänge. Das Militär soll zwar einerseits für Sicherheit sorgen, aber andererseits kann es so Macht auf die Wähler ausüben.

Die Wahlkommission des Landes hat den Soldaten das Recht übertragen, sogenannte Magistrate abzuhalten; also gegen Wähler vor Ort vorzugehen, die das Wahlgesetz brechen würden. Die Menschenrechtskommission von Pakistan hat das bereits kritisiert. Auch durften die etwa hundert EU-Wahlbeobachter vor Ort ihre Arbeit erst vor einer Woche beginnen, anstatt wie sonst bereits einen Monat vor den Wahlen.

Wenig internationaler Spielraum

Wie auch immer die Wahlen ausgehen, die Machthaber haben wenig internationalen Spielraum. Wirtschaftlich ist das Land unter Druck: Die USA haben Auslandsgelder stark gekürzt. Ein Tweet von US-Präsident Donald Trump, in dem er Pakistan der Lüge bezichtigt, klingt in den Ohren vieler nach.

Die Atommacht hofft nun auf China, das kräftig investiert. Mit Pekinger Geld baut Pakistan etwa den Hafen Gwandar, um eine eigene Öl- und Gasroute aus Zentralasien zu etablieren, unabhängig von Indien und dem Iran. Ob Pakistan die chinesischen Kredite zurückzahlen kann, ist aber fraglich.

Die Herausforderung ist, sich nicht abhängig von nur einer Macht zu machen, meint Zingel, aber trotzdem regionale Verbündete zu finden. Und die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen. "Die Hoffnung kann schlicht sein, dass es nicht schlimmer und langsam besser wird." (Anna Sawerthal, 24.7.2018)