Bisher konzentriert sich das Geschäft des chinesischen Internetgiganten JD hauptsächlich auf den Heimatmarkt, wo das Unternehmen mehr als 150.000 Mitarbeiter beschäftigt. Mit Logistikzentren und Büros will man sich künftig auch einen Teil des europäischen Marktes sichern.

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Haben Sie schon einmal etwas von JD.com gehört? In Europa weitgehend unbekannt, gehört die Plattform in China mittlerweile zum Alltag: Mehr als 260 Millionen Menschen nutzen die Website regelmäßig, bestellen sich Laptops, Fernseher oder Lebensmittel, die per Drohne nach Hause geliefert werden. Im vergangenen Jahr war JD noch vor Alibaba der umsatzstärkste Onlinehändler in China, jetzt plant das Unternehmen auch groß in Europa einzusteigen. Bis Ende des Jahres soll die Strategie zur Erschließung des Marktes stehen, in Frankreich und Deutschland sollen die ersten Logistikzentren aufgebaut werden, kündigte JD-Chef Richard Liu gegenüber dem Handelsblatt an.

Für den österreichischen Handel könnte das in Zukunft noch härtere Konkurrenz aus dem Ausland bedeuten. Denn schon jetzt sehen sich Kunden lieber auf ausländischen Marktplätzen um: Rund 7,2 Milliarden Euro geben die Österreicher im Jahr im Onlineeinzelhandel aus. Mit 57 Prozent fließt mehr als die Hälfte der Ausgaben an ausländische Anbieter, heißt es in einer Studie des Handelsverbands.

Größter Profiteur war bisher Amazon: Mehr als 620 Millionen Euro machte das Unternehmen 2017 allein in Österreich Umsatz. Weit abgeschlagen dahinter folgen Zalando, Universal und Otto. Mit den chinesischen Onlinehändlern JD und Alibaba könnten bald zwei neue Gegner hinzukommen. Zweiterer versendet schon jetzt rund 80 Prozent aller Pakete aus China in die EU.

"Der chinesische Onlinehandel wird auch dem stationären Handel wehtun. Onlinehändler, die sich in ihrer Nische spezialisiert haben, haben größere Vorteile gegenüber den großen Versandhäusern", meint Martin Sonntag, Obmann des Versand- und Internethandels bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

Die chinesischen Versandhändler sind der heimischen Branche schon jetzt ein Dorn im Auge: Denn 97 Prozent der 560 Millionen Päckchen, die jedes Jahr aus China in Europa ankommen, sind völlig steuer- und zollbefreit, kritisiert der Handelsverband. Bis zu einem Wert von 22 Euro sind keine Steuern fällig, Onlinehändler würden diese Freigrenze ausnutzen und Produkte bewusst falsch deklarieren. Für Österreich entstehe dadurch ein Schaden von mehr als 120 Millionen Euro. Zwar will die EU die Steuerbefreiung 2021 wieder abschaffen, das sei laut Handelsverband aber bereits zu spät, um einen Schaden für den Handel abzuwenden.

Niedrigster Preis zählt

"Die österreichischen Onlinekunden sind wenig loyal, viele gehen nur nach dem niedrigsten Preis", meint Sonntag. Insofern könnten sich Shopper wohl auch schnell an die neuen chinesischen Namen gewöhnen, sofern der Preis und das Angebot stimmen.

Dass die chinesischen Onlinehändler auf diesem Gebiet leicht mit Amazon mithalten können, haben sie bereits im eigenen Land bewiesen. Dort haben sie nicht nur eine Handelsplattform, sondern ein ganzes Ökosystem an Produkten und Leistungen geschaffen: Alibaba bietet neben seiner Einkaufsplattform auch den Bezahldienst Alipay an, JD wiederum verknüpft seinen Versandhandel mit dem multifunktionalen sozialen Netzwerk Wechat, mit dem ebenfalls Einkäufe bezahlt werden können. Ganz nebenbei sammelt JD damit auch Daten seiner Kunden, um dann individualisierte Angebote machen zu können.

Interesse an Zukäufen

Händler wie Otto und Zalando geben sich auf Nachfrage derzeit noch gelassen und abwartend. Zuerst müssen sich Alibaba und JD die nötige Infrastruktur und Logistik sichern und Produkte präsentieren, heißt es. Mit Zukäufen liebäugelt JD-Chef Liu jedenfalls bereits: "Wenn wir eine gute Chance sehen, dann nutzen wir sie."

In Österreich sind die Einkäufe bei heimischen Onlineshops indes weiter rückläufig. Die Antwort auf Amazon ist mit Shöpping.at bisher eher leise ausgefallen. Nur knapp 500 Anbieter sind auf der Plattform derzeit aktiv. (Jakob Pallinger, 24.7.2018)