Trotz aller Gegensätze, die Chemie stimmt zwischen Kelly und Yorkie.

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Wie verändert sich eine Gesellschaft mit ihren Technologien, mit unbegrenzten Speicher- und Überwachungsmöglichkeiten? Die britische Science-Fiction-Serie "Black Mirror", die 2011 auf Channel 4 an den Start ging und mittlerweile auch auf Netflix zur Verfügung steht, liefert kluge wie zynische, aber vor allem düstere Antworten auf diese Frage. So verwandeln die Autoren in der Folge "The Entire History of You" die Möglichkeit, mittels Implantat sämtliche Wahrnehmungen zu speichern und jederzeit abzurufen zu können, in eine Horrorfahrt durch den Beziehungsalltag eines Paares.

"San Junipero", preisgekrönte Episode aus Staffel drei, bricht mit dem dystopischen Charakter der Serie und kreiert mit viel Gefühl für Bildsprache und reduzierte Dialoge eine zeitlose Liebesgeschichte zweier Frauen. 1987: Yorkie (Mackenzie Davis) taucht im Küstenstädtchen San Junipero auf, wo sich Nachtclubs und Neonleuchtreklamen aneinanderreihen. Allzu verloren wirkt die junge Frau mit Streberbrille und Bermudashorts in der feiernden Menge – bis sich die extrovertierte Kelly (Gugu Mbatha-Raw) an ihren Tisch verirrt und sie in ein Gespräch verwickelt, um einen lästigen Verehrer loszuwerden.

Hürdenreicher Weg

Zwischen den beiden Frauen stimmt trotz aller Gegensätze die Chemie, dennoch kostet es die mit einem Mann verlobte Yorkie einige Überwindung, Kellys Einladung zu einer gemeinsamen Nacht zu folgen. Am nächsten Tag ist Kelly verschwunden, langsam wird klar, warum Yorkie nicht nur in den Straßen und Bars der Stadt nach ihr sucht, sondern auch durch das San Junipero der Neunziger- und Nullerjahre reisen muss.

Auf dem hürdenreichen Weg zum Happy End spielt "San Junipero" auf der Klaviatur der ganz großen Gefühle. Der Schmerz einer verlorenen Liebe, die ersten, prickelnden Momente neuer Verliebtheit oder Sehnsucht, die nicht vergehen will – all das kommunizieren Mbatha-Raw und Davis mit intensiven Blicken und Gesten, die die zahlreichen Nahaufnahmen einfangen – ohne jemals zu dick aufzutragen. Den letzten Schliff verleiht "San Junipero" der Soundtrack, der Popklassiker quer durch die Jahrzehnte kombiniert und Belinda Carlisles "Heaven Is a Place on Earth" seinen großen Auftritt beschert.

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In der Erstversion des Skripts hatte Autor Charlie Brooker laut eigenen Aussagen eine Hetero-Liebesgeschichte konzipiert, erst später entschied er sich dazu, zwei Frauen zu den Protagonistinnen zu machen, um dem Ganzen einen neuen Dreh zu verleihen: 1987 waren gleichgeschlechtliche Ehen in den USA noch verboten. Eine gute Entscheidung: "San Junipero" wurde nicht nur mit zwei Primetime Emmy Awards ausgezeichnet, die Episode wird als zeitlose lesbische Liebesgeschichte überdauern, die in Film und Fernsehen ohnehin rar gesät sind. (Brigitte Theißl, 24.7.2018)