Unter Hochspannung: Energie-Experte Peter Zeller montiert einen Widerstand am Blitzstoßgenerator.
Foto: Raimund Lang

Ein kurzes Hupen signalisiert, dass es gleich so weit ist. Instinktiv kontrollieren die Anwesenden noch einmal den korrekten Sitz ihres Gehörschutzes. Alle Blicke sind auf den abgedunkelten, vollständig metallischen Raum gerichtet, der sich jenseits eines Sichtgitters erstreckt. Dann ein kurzer Lichtblitz, fast zeitgleich gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall. Nur einen Sekundenbruchteil hat das Spektakel gedauert.

Im neuen Hochspannungslabor der Fachhochschule Oberösterreich in Wels können künstliche Blitze mit einer Spannung von bis zu einer Million Volt erzeugt werden. Die dazu befähigte Anlage – ein sogenannter Marx-Blitzstoßgenerator – ist eine Schlüsselkomponente im EU-geförderten Forschungsprojekt CompStor (Competence Centre for Energy Storage).

Es handelt sich um ein Interreg-Projekt, das grenzüberschreitende Forschungskooperationen unterstützt. Im konkreten Fall sind die Partner die Fachhochschule Oberösterreich in Wels und das Technologiezentrum Energie der Hochschule für angewandte Wissenschaften im bayrischen Landshut. Die Fördersumme für die österreichische Seite beträgt 2,2 Millionen Euro für drei Jahre bei einer Förderquote von 85 Prozent.

Hohe Spannung, dünner Draht

Ziel des Projekts ist die Entwicklung von Gleichstrom-Batteriesystemen zur Speicherung von elektrischer Energie unter hoher Spannung. "Um mehr erneuerbare Energie ins Stromnetz zu bekommen, braucht man auch mehr Speicher", erklärt Projektleiter Peter Zeller, Professor an der FH Oberösterreich. "Es lässt sich leicht zeigen, dass Pumpspeicher-Kraftwerke dafür nicht ausreichen. Wir arbeiten deshalb an elektrochemischen Speichern."

Auf der Niederspannungsebene gibt es solche Batteriesysteme bereits, für Mittel- und Hochspannung betritt man in dem aktuellen Forschungsprojekt Neuland. Genau solche Speicher brauchen Energieversorger aber, wenn sie künftig Strom kostengünstig in hohen Leistungen von mehreren hundert Kilowatt speichern wollen. Denn um hohe Leistungen bei niedriger Spannung zu transportieren, wären extrem dicke Kupferleitungen nötig, was naturgemäß teuer ist.

Während im bayrischen Landshut die Experten für die elektrochemischen Prozesse in der Batterie sitzen, liegt die Kompetenz der Welser in der Systemtechnik. Letzteres umfasst die Zusammenschaltung der einzelnen Batteriezellen, die Isolation, die Einhausung und die komplette Elektronik – samt der jeweils zugehörigen Mess- und Prüftechnik. Dafür hat Zeller um rund eine Million Euro das neue Hochspannungslabor eingerichtet.

Beliebige Blitzarten simulieren

Mit dem Blitzstoßgenerator etwa lassen sich beliebige Blitzarten simulieren. "Wir testen, was mit der Batterie passiert, wenn ein Blitz einschlägt", sagt Zeller. So lässt sich sukzessive die Auslegung der Komponenten optimieren. Weiters verfügt das Labor über eine modulare Wechselspannungs-Gleichspannungs-Anlage. Sie dient zur Simulation verschiedener Systemspannungen bis zu 270.000 Volt Gleichspannung und 200.000 Volt Wechselspannung. Hier lässt sich beispielsweise testen, ob die Batterie dauerhaft mit der Nennspannung zurechtkommt oder ob sie kurzfristige Spannungsspitzen unbeschadet übersteht.

"In der Theorie geht viel, aber wir brauchen die Betriebserfahrung, um die Batterie so zu bauen, dass sie draußen im realen Einsatz auch funktioniert." Das Projekt läuft bis März 2019. An seinem Ende soll der funktionstüchtige Prototyp einer aus 20.000 Einzelzellen zusammengeschalteten 30.000-Volt-Batterie, zwei Meter hoch und mit einer Kapazität von 10.000 Amperestunden, die Funktionstüchtigkeit der neuen Technologie demonstrieren.

Das Projekt passt auch zum Start des neuen Master-Studiengangs "Electrical Engineering" im heurigen Herbst, der den bestehenden Bachelor-Studiengang ergänzen wird. Die enge Verzahnung von Forschung und Lehre ist für Zeller ein besonderer Glücksfall. "Wir haben das Labor gemeinsam mit den Studierenden aufgebaut, alles selbst geplant, geschraubt, gelötet. Alles, was wir hier tun, fließt unmittelbar in die Lehre ein." Das Projekt CompStor ist reine Grundlagenforschung. Doch Zeller denkt schon voraus. "Mittelfristig ist geplant, hier ein Kompetenzzentrum aufzubauen", sagt er. "Es gibt in Oberösterreich viele Spitzenfirmen in der Energietechnik, aber es sind alles Einzelkämpfer. Wir wollen sie unter ein gemeinsames Dach bringen." (Raimund Lang, 27.7.2018)