Sturm-Trainer Heiko Vogel träumt mit den Schwarz-Weißen von der Champions-League-Gruppenphase.

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Amsterdam/Graz – Als zuversichtlicher Außenseiter startet Vizemeister Sturm Graz am Mittwoch (20.30 Uhr, live ORF 1) gegen Ajax Amsterdam in die Champions-League-Qualifikation. Das Premierenduell mit dem niederländischen Rekordmeister soll ausgekostet werden. "Wir haben uns den Traum von der Champions-League-Gruppenphase selbst erarbeitet, wollen den auch leben", sagte Trainer Heiko Vogel.

Für die CL-Gruppenphase müssten die ungesetzten Steirer nach Ajax zwei weitere europäische Brocken aus dem Weg räumen. Schaffen die Grazer die Sensation, würde als nächster Gegner Standard Lüttich warten. Ansonsten bekommen sie es in der dritten Runde der Europa-League-Quali mit Dundalk aus Irland oder AEK Larnaca aus Zypern zu tun. Vorerst steht aber Ajax im Fokus: "Wir reisen mit maximaler Vorfreude nach Amsterdam", sagte Vogel, der am Dienstag von einem grippalen Infekt geschwächt abhob.

Aus Fehlern lernen

Ajax sei Favorit, betonte Peter Zulj, der sich dennoch einiges ausrechnet. "Wir sind natürlich in Amsterdam auf Sieg getrimmt, alles andere wäre falsch", sagte der Spielmacher. "Wir wissen, dass wir in den Umschaltphasen unsere Räume kriegen werden, die müssen wir gut nützen." Im Vorjahr scheiterten die Grazer in der dritten EL-Quali-Runde am türkischen Spitzenklub Fenerbahce. "Wir haben gegen Fenerbahce leider zu spät gemerkt, dass viel mehr möglich gewesen wäre. Mit dieser Erfahrung gehen wir in die Partie", sagte Goalie Jörg Siebenhandl.

Der Kaderumbruch nach dem Cup-Erfolg war in der spielfreien Zeit ein Dauerthema. Vogel steht vor der Herausforderung, in kurzer Zeit wieder eine harmonierende Elf auf den Rasen zu bringen. "Im Frühjahr haben wir wahnsinnig gut performt", erinnerte Kapitän Stefan Hierländer. "Nun braucht es natürlich eine Findungsphase."

Alarmglocken in Amsterdam

Die Vorbereitung lief auch bei Ajax nicht rund. Spätestens nach einem alarmierend schwachen Test gegen Anderlecht (1:3) schrillten die Alarmglocken. Schlüsselspieler wie die WM-Teilnehmer Hakim Ziyech (Marokko), Nicolas Tagliafico (Argentinien) und die Dänen Lasse Schöne und Kasper Dolberg stiegen spät ins Training ein. Neuerwerbung Dusan Tadic könnte laut der gewöhnlich gut informierten Tageszeitung "De Telegraaf" im Hinspiel eine Jokerrolle zukommen, Rückkehrer Daley Blind stieß mit erheblichem Trainingsrückstand dazu.

Ajax hat in seiner 118-jährigen Klubgeschichte alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt: die Champions League durch ein 1:0 am 24. Mai 1995 in Wien gegen den AC Milan, davor von 1971 bis 1973 dreimal in Serie den Meistercup, den Europacup der Cupsieger 1987 und den Uefa-Cup 1992. "Ajax ist einer der ganz großen Vereine in Europa, mit unglaublich vielen Facetten: Landesmeistertitel, großen Spielern wie Johann Cruyff, die Ajax-Schule, die weltweit versucht wurde zu kopieren, Voetbal totaal", schwärmte Vogel. "All das liegt in der Vergangenheit, aber vieles von dem Glanz ist noch in Ajax."

Drei Routiniers verpflichtet

Der bisher letzte von 33 Meistertiteln liegt allerdings schon vier Jahre zurück. Auch deshalb holte Sportdirektor Marc Overmars entgegen der Einkaufspolitik der vergangenen Jahre mit Tadic (29), Blind (28) und Zakaria Labyad (25) drei erfahrene Spieler. "Wir sind sicher noch einmal besser geworden", sagte Österreichs Ajax-Legionär Maximilian Wöber. Auch wenn Tadic und Blind nicht in der Startformation erwartet werden.

"Es ist immer noch eine Riesentruppe, die 2016/17 im Europacup-Finale gegen Manchester United stand", erinnerte Vogel. Auch Hierländer weiß: "Die Mannschaft ist auf jeder Position top besetzt." Sturms neuer Kapitän hat die Johan-Cruyff-Arena, wie sie nun heißt, bereits während seiner Salzburg-Zeit kennengelernt. "Uns erwartet eine sehr gute Stimmung, ein tolles Stadion." Die Kulisse sei während des Spiels zwar uninteressant. "Aber wenn man mal das Abschlusstraining in der Arena macht und durch die Gänge rennt und die Porträts der großen Spieler sieht, ist das einfach imposant."

26. Europacup-Match für Hierländer

Für den Allrounder steht fest: Um weiterzukommen, muss Sturm nahe am Leistungsplafond spielen. "Wir brauchen einfach zwei Topleistungen gegen Ajax, dann ist alles drin. Wenn wir nur ein, zwei Prozent zu wenig abrufen, dann wird es schwierig." Anders als bei Ajax kann der Großteil der Sturm-Spieler seine internationalen Partien an den Händen abzählen. "Es liegt eine Gefahr genauso wie die Chance zur Unbekümmertheit darin", erklärte Hierländer vor seinem 26. Europacup-Match.

Das sportliche Kräfteverhältnis wird der Vergleich auf dem Rasen widerspiegeln, der finanzielle Unterschied ist bereits im Vorfeld augenscheinlich. Auf Sponsorenebene schlossen die Niederländer erst vor wenigen Wochen einen großen Deal mit Adidas ab, der dem Klub bis 2025 an die 50 Millionen Euro einbringt. Rückkehrer Blind war Ajax 16 Millionen Euro wert – eine Summe, die in etwa dem Jahresbudget von Sturm entspricht.

Trauerminute für Schilcher

Vor dem Spiel wird eine gemeinsame Trauerminute für den kürzlich verstorbenen Heinz Schilcher abgehalten. Der frühere Sturm-Spieler und -Manager der erfolgreichen Trainerära von Ivica Osim war auch Mitglied jener Ajax-Mannschaft, die Anfang der 1970er-Jahre mit Johann Cruyff den europäischen Klubfußball dominierte. (APA, 24.7.2018)

Champions-League-Qualifikation, 2. Runde, Hinspiel, Mittwoch

Ajax Amsterdam – Sturm Graz
Johan-Cruyff-Arena, 20.30 Uhr, live ORF 1, SR Hernandez (ESP)

Mögliche Aufstellungen:

Ajax: Onana – Mazraoui, De Ligt, Wöber, Tagliafico – Schöne, Ziyech, Van de Beek – Neres, Huntelaar/Dolberg, Labyad

Ersatz: Van Leer – Kristensen, Blind, Schuurs, Orejuela, Sinkgraven, F. De Jong, S. De Jong, Tadic

Es fehlen: Cerny, Veltman (beide Kreuzbandriss), Bande (Bruch des Wadenbeinschafts)

Sturm: Siebenhandl – Koch/Obermair, Spendlhofer, Avlonitis, Maresic, Ferreira – Hierländer, Lovric, P. Zulj, Grozurek – Hosiner

Ersatz: Schützenauer, Giuliani – Schrammel, Huspek, Lackner, Eze, Pink

Es fehlt: Jantscher (Ödem im Unterschenkel)

Rückspiel am 1. August, 20.15 Uhr in Graz, der Aufsteiger steht in der dritten Quali-Runde der Champions League, der Verlierer steigt in die dritte Quali-Runde der Europa League um