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Auf Stahl- und Aluminiumzölle der USA reagierte die EU, indem sie politisch sensible Waren mit Gegenzöllen belegte.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/SCOTT OLSON

Ein versprengter Haufen von (noch) 28 Mitgliedern gibt seit einigen Jahren ein klägliches Bild ab. Von der Flüchtlingskrise völlig überfordert, von Fronten zwischen Ost und West sowie Süd und Nord gezeichnet, beschäftigt sich die EU seit langem überwiegend mit eigenen Problemen. Mit dem Brexit-Votum kommt nun auch noch eine massive außenpolitische Schwächung hinzu. Das bedeutet für die Union eine ziemlich schlechte Ausgangslage, will sie sich in alles andere als konfliktarmen Zeiten behaupten. Doch es gibt auch einen Lichtblick.

Gerade in der wirtschaftspolitischen Causa prima ließ Europa bisher wenig Schwächen erkennen. Der von Donald Trump angezettelte Handelsstreit scheint eher zu einem Ruck durch den Alten Kontinent geführt zu haben. Die Bedrohung der Europäer durch Strafzölle und andere Handelshemmnisse ist so gewaltig, dass die sonst so gespaltenen Mitgliedsstaaten bisher zusammenhalten und der EU-Kommission – entgegen dem Usus – den Rücken stärken.

Auf Stahl- und Aluminiumzölle der USA reagierte die EU geschickt, indem sie politisch sensible Waren mit Gegenzöllen belegte. Whiskey, Harley-Davidson, Jeans und diverse Agrarprodukte sind von den Vergeltungsmaßnahmen betroffen und somit Produkte, die für republikanisch dominierte Wahlkreise von großer Bedeutung sind. Das erhöht den Druck auf prominente Republikaner, die ihren Wählern verantwortlich sind und Trump wegen seines Kreuzzugs gegen Verbündete tadeln. Selbst Vergleiche mit der Großen Depression in den 1930er-Jahren werden von der Grand Old Party bemüht, hatte doch der aufkeimende Protektionismus seinen Teil zur tiefen Rezession beigetragen. Sogar republikanische Schwergewichte wie der Speaker im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, halten mit Kritik an der Handelspolitik des Präsidenten nicht hinter dem Berg.

Wachsender Druck

Trump zeigt sich zwar unbeeindruckt, doch der Druck wächst. Ob China, die EU, die beiden "Freihandelspartner" Mexiko und Kanada oder viele andere Länder: Sie lassen sich nicht einschüchtern und schießen zurück. Schon stapelt sich tonnenweise Schweinefleisch in den US-Kühlhäusern, weil die Einfuhr von einigen Ländern mit Strafzöllen belegt wurde. Amerikanische Produzenten drohen an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, weil sie Waren teurer einkaufen müssen. US-Konsumenten werden wegen höherer Verbraucherpreise über kurz oder lang mit realen Einkommenseinbußen konfrontiert sein.

Das wissen auch die Europäer, und dennoch sind geschlossene Reihen keine Selbstverständlichkeit. Immerhin sind gerade die drohenden Strafzölle auf Autos aus der EU vor allem ein deutsches Problem. So manches Land könnte wegen geringer Betroffenheit gelassen reagieren. Doch den Staaten ist klar: Wenn Trump weiterhin an der Eskalationsschraube dreht, könnten als Nächstes Produkte vom Handelsstreit erfasst werden, die in der jeweiligen Heimat von großer Bedeutung sind. Somit hat ihre Solidarität auch ökonomischen Nutzen.

Die gemeinsame Handelspolitik der EU, gestärkt durch einen hohen Grad an Vergemeinschaftung und geringen nationalen Spielraum, hat sich bisher als scharfe Waffe im Konflikt mit Washington erwiesen. Vorrangigstes Ziel für Jean-Claude Juncker beim Besuch Trumps heute, Mittwoch, muss es daher sein, nicht zu wanken und jeden Spaltungsversuch abzuwehren. (Andreas Schnauder, 24.7.2018)