Göteborg – Eine junge Schwedin hat ein Flugzeug gestoppt, mit dem ein 52-jähriger Afghane aus Göteborg abgeschoben werden sollte. Die Studentin Elin Ersson weigerte sich, sich auf ihren Platz zu setzen, sodass das Flugzeug nicht abheben konnte. Ihre Aktion teilte sie am Montagabend mit einem Livevideo auf Facebook. Mittlerweile hat das Video mehr als zwei Millionen Aufrufe. Viele bedanken sich in den Kommentaren bei Ersson für ihren Mut – zahlreiche gehässige Nachrichten sind allerdings auch dabei.

In dem Video erklärt die Studentin, dass sie den Aufforderungen des Personals erst dann Folge leisten wolle, wenn der Afghane das Flugzeug verlassen habe. Sie begehe damit kein Verbrechen, betonte sie. "Ich mache, was ich kann, um das Leben der Person zu retten", sagt sie in die Kamera. Mehrmaligen Aufforderungen, das Filmen zu unterlassen, kommt sie nicht nach. "Ich filme mich ja bloß selbst."

In Afghanistan herrsche Krieg, und wenn der Mann zurückkehre, werde er ziemlich sicher getötet, erklärt sie ihre Aktion. "Solange ich stehe – und wenn hoffentlich noch mehr Menschen aufstehen –, kann der Pilot nicht starten."

Möglicherweise rechtliche Folgen

Einige Passagiere und Flugbegleiter waren durch die Verzögerungen genervt. Ein Mann versuchte Ersson das Handy wegzunehmen, der Flugbegleiter gab es der jungen Frau zurück. Viele andere Reisende schlossen sich Ersson aber an und standen ebenfalls auf.

Ihr Protest hatte zumindest vorübergehend Erfolg: Der Mann durfte aussteigen, und auch Ersson wurde aus dem Flugzeug begleitet. Ob der Afghane mit einem späteren Flugzeug abgeschoben wurde, konnte die Grenzpolizei zunächst nicht sagen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass der Mann bald abgeschoben wird. Ersson hingegen könnten für ihr Stehen rechtliche Folgen drohen.

Ziel: Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Die 21-jährige Ersson studiert in Göteborg Soziale Arbeit und engagiert sich schon seit längerem für Flüchtlinge, sagte sie dem Guardian in einem Interview. Sie sei glücklich darüber, dass so viele Menschen das Video gesehen haben. Ihr langfristiges Ziel sei es, dass Schweden niemanden mehr nach Afghanistan abschiebt.

Das Land wird von Schweden als sicheres Herkunftsland gesehen. Mehr als die Hälfte der Asylwerber in Schweden kommt laut dem Guardian aus Afghanistan, Asyl haben demnach aber nur 28 Prozent von ihnen bekommen.

Ersson wollte ursprünglich einen anderen Afghanen vor der Abschiebung bewahren. In einer Facebook-Gruppe habe es Gerüchte um die Abschiebung gegeben, es wurde Geld für ein Flugticket gesammelt, um die Ausreise zu verhindern. Ersson buchte damit das Ticket und machte sich auf den Weg zum Flughafen. Dort angekommen war es aber ein anderer Afghane, der in das Flugzeug gebracht wurde. Der jüngere Mann sei nach Stockholm gebracht worden und von dort aus abgeschoben worden. "So laufen in Schweden Abschiebungen ab. Jene Personen, die es betrifft, wissen von nichts und sie dürfen sich auch nicht an Anwälte oder ihre Familie wenden", schrieb Ersson am Tag nach ihrer Aktion. (lhag, APA, 25.7.2018)