Eigentlich vergeht kein Tag, an dem es keine schlechten Nachrichten über den ignoranten Umgang der Modeindustrie mit ihren Ressourcen gibt. Unzählige Luxusmarken wie Marc Jacobs oder Dolce & Gabbana gehören laut dem diesjährigen "Fashion Transparency Index", der anzeigt, wie transparent Firmen mit ihren Arbeitsbedingungen und Umweltstandards umgehen, zu den traurigen Schlusslichtern.

Die schwedische Modekette H&M geht zwar vergleichsweise offenherzig mit ihren Daten um und setzt in letzter Zeit verstärkt auf Recycling, verbrennt aber trotzdem jährlich tonnenweise Kleidung. Aber auch die Konsumenten befinden sich in der Fast-Fashion-Falle: Wir kaufen rund 400 Prozent mehr Kleidung als noch vor 20 Jahren, davon landen 75 Prozent nach nur einem Jahr im Altkleidersammelcontainer.

Kein Wunder, dass die Konsumenten mittlerweile ein wenig müde geworden sind, den neuesten Trends hinterherzujagen. Dauernd ist irgendwo Sale, weshalb viele gar nicht mehr daran denken, den vollen Preis zu bezahlen. Dauernd erscheint eine neue "Limited Edition", die man unbedingt haben muss.

Einkaufsalternativen zu "Fast Fashion" schossen in den letzten Jahren aus dem Boden.
Foto: Michael Pascher

Online kaufen

Das Modebusiness ist gerade extrem überhitzt, alles wird immer schneller. Kaum hat man etwas erstanden, winkt schon das nächste Schnäppchen. Niemand weiß so recht, wie man damit umgehen soll, dass es im Grunde keine Saisonen mehr gibt, dass High-Fashion-Trends zeitgleich als Kopien bei den Fast-Fashion-Händlern landen, dass Kundinnen am liebsten direkt vom Laufsteg weg kaufen wollen.

Jüngst sorgte H&M für Schlagzeilen, im letzten Quartal gingen die Umsätze um 1,7 Prozent zurück, der Anbieter muss zahlreiche Filialen schließen, auch weil sich das Einkaufsverhalten verändert hat: Es wird mehr online geshoppt – eine Entwicklung, die zunehmen wird. Vor allem die Option, mittels Handy einzukaufen, wird immer wichtiger, das prognostizieren zumindest Experten.

In Korea und Japan werden bereits jetzt mehr als 50 Prozent aller Einkäufe über Mobiltelefone oder Tablets getätigt. Zudem verschieben sich die Märkte. Europa und Nordamerika sind 2018 nicht mehr die zentralen Umschlagplätze, sondern stagnieren weitgehend, während Brasilien, China, Indien, Mexiko und Russland boomen.

Foto: Michael Pascher

Veränderter Geschmack

Aber irgendwie scheint sich auch gerade der Geschmack zu verändern. Viele haben die Nase voll von billigen, austauschbaren Fetzen, die nach einmaligem Tragen schon schäbig aussehen. Gerade die kaufkräftigen Millennials, die erste Generation der Digital Natives, die gerade zwischen 18 und 24 Jahre alt sind, erweisen sich als nicht mehr sonderlich loyal, was den regelmäßigen Konsum von Marken betrifft.

Zwei Drittel sagen, dass sie für einen Rabatt von 30 Prozent oder mehr auf jeden Fall ihre Lieblingsmarke für eine andere austauschen würden. Gleichzeitig geben sie an, sie würden bevorzugt bei Labels einkaufen, die ähnliche Werte wie sie vertreten und entsprechende Umweltstandards haben.

Natürlich sind Millennials diesbezüglich schizophren: Sie sind kaufsüchtig und produzieren unglaublich viel Müll (sie sortieren Produkte nach ein- bis fünfmaligem Tragen aus), gleichzeitig verspüren sie ein großes Bedürfnis nach Nachhaltigkeit. 77 Prozent geben an, dass sie vorziehen, von umweltfreundlichen Firmen zu kaufen.

Laut einem aktuellen Report von McKinsey & Company und The Business of Fashion möchten sich Millennials von Produkten persönlich angesprochen fühlen – sei es durch gruppenspezifische Werbungen, die authentisch wirken, personalisierte Produkte oder kuratierte Empfehlungen. Man möchte nicht von der Stange kaufen.

Gerade deshalb werden Nischenlabels, die spezielle Produkte anbieten, die man nicht überall bekommt, wieder attraktiver. Kunden wollen zumindest das Gefühl haben, in all der Schwemme an austauschbarer Kleidung, individuell zu sein und etwas Besonderes zu erwerben, selbst wenn bloß Influencer ihnen das eingeflüstert haben.

Ein gutes Beispiel dafür sind die minimalistischen Taschen des New Yorker Labels Mansur Gavriel, der auf hochwertiges Leder aus Italien setzt und eine cleane Ästhetik vertritt. Schritt für Schritt hat man von Taschen das Sortiment auf Schuhe und Kleidung erweitert. Nicht nur Influencer lieben das.

In Wien sprechen Vintage-Shops wie "Burggasse 24" junge, individualitätsbewusste Millennials an.
Foto: Michael Pascher

Vintage-Mode

Aber auch Vintage-Fashion (siehe Bilder) ist wieder ziemlich angesagt. Mit den vielen Retro-Trends in der aktuellen Mode, die von den 1980er-Jahren bis zu Grunge und der 2000er-Opulenz gerade alles noch einmal durchdekliniert, ist auch der Wunsch gestiegen, Originalteile zu ersteigern, die tatsächlich Einzelstücke mit hohem Individualitätsfaktor sind.

Der amerikanische Resale Report 2018 sagt, dass eine von drei Frauen im Vorjahr secondhand eingekauft hat, und ortet für die Zukunft steigende Tendenzen. Der "Resale" würde 24-mal schneller wachsen als der normale Handel, Vintage-Shopping sei ein neuer Lifestyle-Trend.

Auch das Thema Recycling wird wichtiger werden. Designerin Stella McCartney wunderte sich jüngst in einem Interview mit The Guardian, warum erst ein Prozent aller Kleider recycelt wird. Das ist natürlich viel zu wenig. Erfreulich ist allerdings, dass nachhaltige Mode nicht mehr automatisch "alternativ" aussehen muss.

Im Grunde kann Mode viel vom Essen lernen: Vegetarische und vegane Kochbücher werden mittlerweile richtig hip gestaltet. Dass "nachhaltig" und "cool" in einem Atemzug genannt werden, ist der richtige Weg: ein Trend, der gerne wachsen kann. (Karin Cerny, RONDO, 26.8.2018)

Foto: Michael Pascher