Die Juristin und Bioethikerin Christiane Druml ist Vorsitzende der österreichischen Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Mittwoch ein lange erwartetes Urteil gefällt: Neuere Methoden der Gentechnik, die keine transgenen Organismen erzeugen, fallen in der Landwirtschaft unter die bestehenden Gentechnik-Richtlinien. Die Bioethikerin Christiane Druml sieht in der Debatte um Genome Editing auch einen "romantisch verstandener Natürlichkeitsbegriff", das Urteil sei ein Zeichen der "existierenden Abneigung gegenüber Genetik".

STANDARD: Wie bewerten Sie das Urteil, das der Europäische Gerichtshof am Mittwoch über die Zulassung von Produkten, die mit neuen Methoden der Gentechnik hergestellt werden, gefällt hat?

Druml: Ich finde es erstaunlich, dass hier eine Technik, die bei Pflanzen im Ergebnis vergleichbar mit natürlichen Züchtungen ist – man denke nur an Gregor Mendel und seine bahnbrechenden Beschreibungen vor mehr als 150 Jahren – in dieser Striktheit beurteilt wurde. Pflanzen sind dabei meiner Meinung nach ja doch ganz anders zu beurteilen als Manipulationen an Mensch oder Tier. Wenn etwa bei Menschen durch CRISPR/Cas9 in die Keimbahn eingegriffen wird, hat das eine ganz andere Tragweite, auch für zukünftige Generationen. Ich sehe hier einen Wertungswiderspruch, dass diese Technik bei Pflanzen sehr restriktiv beurteilt wird, ohne eine wirklich breite Begründung und Herangehensweise vorzulegen. Es gab schon länger eine ethische Diskussion über die Beurteilung von Genome-Editing bei Pflanzen. Als Pro-Argument, warum man das zulassen soll, ist die Vergleichbarkeit mit der natürlichen Entwicklung sowie die weitaus schnellere Erzielung von Ergebnissen anzuführen.

STANDARD: Ist dieses überraschende Urteil des EuGH für Sie schlüssig begründet?

Druml: Um das im Detail zu beantworten, müsste man das Urteil länger analysieren. Ich persönlich sehe hier allerdings schon eine nach wie vor existierende Abneigung gegenüber Genetik. Man muss neue Methoden der Gentechnik, wie das erst seit 2012 existierende Genome-Editing, neu und zeitnah überdenken und breit diskutieren, wie wir das regeln können. Vielleicht haben wir einen doch sehr romantisch verstandenen Natürlichkeitsbegriff. In den 1980er-Jahren war es für Diabetiker gang und gäbe, Schweineinsulin zu nehmen. Zunächst gab es eine starke Abneigung dagegen, Insulin künstlich herzustellen. Heute stellt das niemand mehr infrage.

STANDARD: Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Landwirtschaft und Pflanzenzucht?

Druml: Meiner Meinung nach bedeutet dieses Urteil schon eine Bevorzugung der Großkonzerne. Wenn es um die bürokratischen Hürden bei der Zulassung neuer Produkte geht, haben die großen Konzerne wie etwa Monsanto schon wesentliche Wettbewerbsvorteile gegenüber kleinen.

STANDARD: Welche Punkte bleiben für Sie offen?

Druml: Fraglich bleibt, wie im Zulassungprozess neuer Produkte, die mit Genome-Editing erzeugt worden sind, etwas beurteilt werden kann, was sich gar nicht nachweisen lässt – die Endpunkte könnten ja auch durch natürlich Züchtung entstanden sein. Dabei sachliche Gutachten vorzulegen stelle ich mir schwierig vor, ebenso die Kontrolle. Wenn ich davon ausgehe, dass das nicht anders als das Spiegelbild eines natürlichen Prozesses ist, dann müsste bei so einem Gerichtsurteil schon eine wesentlich schlüssigere Begründung dafür vorgelegt werden.

STANDARD: Können Sie dem Urteil auch etwas Positives abgewinnen, etwa der Betonung des Vorsorgeprinzip?

Druml: Na ja – das Vorsorgeprinzip sagt aus, dass wir nicht einen höheren Beweisgrad abwarten können, bevor wir handeln, um Schaden zu vermeiden, etwa wenn es Gefährdungen für die Gesundheit und die Umwelt gibt. Natürlich muss der Schutz künftiger Generationen und der Umwelt in unserem Bewusstsein vorhanden sein. Gleichzeitig darf man nicht immer nur die möglichen potenziellen Gefahren sehen, sondern muss auch den möglichen Nutzen ins Treffen führen, auf den man durch eine restriktive Regelung verzichtet. Gerade bei der Produktion von Nahrungsmitteln in einer Zeit, in der die Weltbevölkerung rasant zunimmt und die Klimasituation zunehmend unberechenbarer wird, könnten CRISPR und andere Methoden bedeutende Vorteile bieten. Sie führen bei Pflanzen wesentlich schneller zu guten Ergebnissen als die natürliche Züchtung. Dass alle Eingriffe zentral dokumentiert werden sollen, ist eine schon länger gehegte Forderung, die Transparenz garantieren soll. (Tanja Traxler, 25.7.2018)