Rapids Kapitän Stefan Schwab geht davon aus, dass die gesamte Mannschaft die richtige Balance findet.

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Wien – Michael Krammer ist erster Vertreter der Abteilung Sehnsucht. Als Präsident von Rapid muss man da durch, es ist eine innere Verpflichtung zu träumen. Vom Titel. Seit 2008 sind die Grün-Weißen ungekrönt, keine Meisterschale, kein Cuphäferl, also gar nix. Hunderttausende Fans, sagt Krammer, "leiden vor sich hin. Ich leide mit." Er hatte angekündigt, in zehn Jahren drei Trophäen zu gewinnen, nun ist er fünf Jahre im Amt, man hält bei null, liegt also einhundert Prozent außerhalb des Plans, außerhalb der Sehnsucht.

In Krammers Brust schlägt freilich auch ein realistisches Herz. "Red Bull Salzburg ist stärker, hat andere Möglichkeiten, ist wieder der Topfavorit." Folglich formuliert er das Saisonziel so: "Wir müssen der erste Herausforderer sein. Sollten sie aus irgendwelchen Gründen schwächeln, müssen wir präsent sein." Anders ausgedrückt: Was in der Vorsaison Sturm Graz war, soll Rapid sein.

Viel Bewegung am Transfermarkt

Fredy Bickel, der Geschäftsführer Sport, war in der Sommerpause nicht unterbeschäftigt. Der Transfermarkt boomte, das Ausmaß hat den Schweizer zwar nicht verblüfft, "aber es hat sich viel getan". Louis Schaub, Joelinton, Lucas Galvao und Giorgi Kvilitaia, um nur die Prominentesten zu nennen, haben Rapid verlassen. Deni Alar, Marvin Potzmann, Christoph Knasmüllner, Andrija Pavlovic (verletzt, fällt vier Monate aus), Mateo Barac, Andrei Ivan und der Schweizer Stürmer Jeremy Guillemenot wurden verpflichtet. Es blieb ein Transferplus von rund einer Million Euro. Bickel glaubt, "dass das Niveau gestiegen ist. Jeder der Neuen macht Sinn. Die Mannschaft ist reifer, stabiler, fokussierter, die Stimmung ist weit positiver als vor einem Jahr."

Rapids Trikots für die neue Saison.
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Eine wesentliche Veränderung ist das Karriereende der Ikone Steffen Hofmann. "So wichtig er als Persönlichkeit auch war, diese Geschichte ist nun abgeschlossen." Der Sportchef gibt ein Motto aus: "Es ist eine Saison, in der wir beweisen müssen, dass es definitiv aufwärts geht. Es darf keine Ausreden geben."

Klagen auf hohem Niveau

Bickel teilt Krammers Sehnsucht, ist allerdings noch ein Stück realistischer. "In der Schweiz sind sie lange an der Übermacht Basel gescheitert. In Österreich hat Salzburg diese Rolle. Rapid will das nicht gelten lassen, spielt die Karte Rekordmeister aus, das macht es noch schwieriger. Die Sehnsucht übertrifft den Realitätssinn."

Für österreichische Verhältnisse ist es freilich ein Klagen auf hohem Niveau. Fakt ist, dass man mit einem deutschen Zweitligisten wie Ingolstadt nicht mithalten kann, also ist Galvao weg. Ein durchschnittlicher Klub aus der zweiten deutschen Leistungsstufe lukriert aus den TV-Verträgen mindestens zehn Millionen Euro, bei Rapid waren es 1,7, nun sind es 3,2. Sky lässt sich die Exklusivität einiges kosten. Sturm musste aufgrund einer Ausstiegsklausel Alar um läppische 600.000 Euro ziehen lassen, Bickel hat zugeschlagen. "Als Privatperson tut es mir für Sturm leid, aber so ist das Geschäft. Wir konnten Deni den roten Teppich ausrollen."

Goran Djuricin hatte im Cup gegen Kufstein grün-weiße Rückendeckung.
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Trainer Goran Djuricin nimmt die Rolle des ersten Herausforderers gerne an. "Wir wollen einen besseren Punkteschnitt." Er selbst hat zwar nur einen Einjahresvertrag mit Option, fühlt sich aber in Hütteldorf "angekommen. Man vertraut mir." Das 5:0 im Cup gegen Kufstein sei ein passabler Anfang gewesen. "Es gibt Entwicklungspotenzial. Ein Alar weiß, wo das Tor steht. Ivan ist extrem schnell, Knasmüllner hat eine hervorragende Übersicht." Es gelte, den Spielstil zu verfeinern und zu erweitern. "Ballbesitz haben und noch besser umschalten." Djuricin schwebt eine "Kombination aus Jürgen Klopp und Pep Guardiola vor". Um nicht in den Verdacht des Größenwahns zu geraten, schränkt er ein: "Klopp und Guardiola für Arme halt."

Zuspruch zur Zwölferliga

Die neue Zwölferliga begrüßen Krammer, Bickel und Djuricin. Die Punktehalbierung nach dem Grunddurchgang könnte Salzburg schaden. Bickel: "Obwohl ich prinzipiell gegen künstliche Spannung bin, ist das Format zumindest im Meister-Playoff interessant." Rapid hat übrigens keinen Sitz mehr im Aufsichtsrat der Bundesliga. Das ist eine Gemeinsamkeit mit der Austria, allerdings hat deren Vertreter, Wirtschaftsvorstand Markus Kraetschmer, nicht mehr kandidiert. Er will sich ausschließlich um die Austria kümmern.

Michael Krammer hat Steffen Hofmann verabschiedet.
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Krammer hat sich der Wahl gestellt, bekam aber nicht die nötige Anzahl an Stimmen. "Ich betrieb kein Lobbying, halb so wild. 43 Prozent aller Zuschauer haben Rapid-Spiele besucht. Ich glaube, ohne uns geht nichts. So viel Selbstbewusstsein haben wir."

Rapid startet am Sonntag bei der Admira, es folgen Heimspiele gegen Altach und den WAC. Das schreit nach neun Punkten. Djuricin sagt: "Nicht reden, machen." Auch er ist nicht sehnsuchtsfrei. "Sturm hat im Cupfinale gezeigt, dass man Salzburg schlagen kann." Krammer hofft auf die Teilnahme an der Gruppenphase der Europa League. "Das ist keine Sehnsucht, sondern ein realistisches Ziel." (Christian Hackl, 26.7.2018)