Kein EU-Mitglied wäre von einem chaotischen Austritt Großbritanniens stärker betroffen als Irland. Erhebliche Handelseinbußen, höhere Energiepreise, geringere Investitionen aus Übersee – die Grüne Insel müsste mit einem Konjunktureinbruch rechnen. Kein Wunder, dass die Regierung unter Leo Varadkar mit hoher Nervosität auf das Königreich schaut – nicht zuletzt weil die politische Stabilität und die guten Handelsbeziehungen zwischen der Republik und der britischen Provinz Nordirland Weitere Kommentare von lesen Sie hier.auf dem Spiel stehen.

Nationalistenchefin Mary Lou McDonald spricht zwar von einem "nationalen Notstand", hat ihre Partei Sinn Féin (SF) aber in eine Sackgasse manövriert. Wegen einer Subventionsaffäre sprengte SF vor 18 Monaten die große Koalition mit der Unionistenpartei DUP in Belfast. Doch die Unterhauswahl brachte der DUP überproportionalen Einfluss auf die konservative Minderheitsregierung in London, weshalb sie jetzt an einer Neuauflage der Belfaster Regierung kein Interesse mehr zeigt.

Gleichzeitig boykottiert Sinn Féin das Londoner Parlament, verzichtet so auf jeden Einfluss. Dabei hätten ihre sieben Abgeordneten schon mehrfach knappe Abstimmungen im Unterhaus zugunsten eines weichen Brexits, der im irischen Interesse liegt, entscheiden können. Die Nordiren wollten mehrheitlich in der EU bleiben. Von ihren beiden großen Parteien werden sie schmählich im Stich gelassen. (Sebastian Borger, 25.7.2018)