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Jean-Claude Junckers Ziel besteht vor allem darin, die nächste Eskalationsstufe des Streits zu vermeiden.

Foto: AP/Olivier Matthys

Es war wohl als Kompliment gedacht, als Donald Trump den Präsidenten der EU-Kommission vor Wochen einen "brutalen Killer" nannte. Ein erfahrener, raffinierter Verhandlungsprofi, vor dem man auf der Hut sein müsse, so war es wohl gemeint. So verstand es jedenfalls Jean-Claude Juncker, der am Mittwoch auf schwieriger Mission im Weißen Haus versuchen wollte, Trump zu einem Rückzieher zu bewegen, zumindest zu einem Innehalten.

Die Aufgabe: dem Amerikaner die Idee von Autozöllen ausreden, sodass sich transatlantische Handelskonflikte nicht zu einem veritablen Handelskrieg ausweiten und den im Frühjahr beschlossenen Importzöllen auf Stahl und Aluminium nicht ein gegenseitiges Hochschaukeln ohne Aussicht auf Abkühlung folgt.

Bevor der Luxemburger das Oval Office betrat, war es allerdings der Gastgeber, der seine Raffinesse bewies. Via Twitter wiederholte Trump einen früheren Vorschlag, wonach sowohl Amerikaner als auch Europäer auf sämtliche Zölle, Handelshindernisse und staatliche Beihilfen verzichten sollten. "Das wäre dann endlich ein freier Markt und ein freier Handel", schrieb er. "Ich hoffe, dass sie es tun, wir sind dazu bereit, aber sie werden es nicht sein."

Nicht zuletzt zielt Trumps Rhetorik darauf ab, einen Keil zwischen Berlin und Paris zu treiben. Zwischen Deutschland, dessen Wirtschaft von Barrieren für Autos empfindlich getroffen würde, und Frankreich, dessen Bilanz einen weitgehend ausgeglichenen Handel mit den USA aufweist und das ein Veto einlegen dürfte, sollte etwa das Streichen von Agrarsubventionen der EU zur Debatte stehen.

Bereits zuvor hatte Trump seine Drohungen mit weiteren Einfuhrzöllen bekräftigt. "Zölle sind das Größte", twitterte er. Andere Länder könnten entweder faire Vereinbarungen mit den USA treffen, oder aber sie müssten mit den Abgaben leben. Im Übrigen, schob er hinterher, sollten die Kritiker daheim endlich aufhören, ihm in die Quere zu kommen. Mit derartigem Störfeuer dauere es nur länger, zu einem Deal zu kommen, "und der Deal wird niemals so gut sein, wie er sein könnte, wenn wir uns einig wären". Der Landesvater im Pokermodus, die eigene wirtschaftliche Stärke resolut ausspielend – das ist das Bild, das der Präsident gern von sich zeichnet.

Ein Viertel der Autoteile aus dem Ausland

Junckers Ziel bestand vor allem darin, die nächste Eskalationsstufe des Streits zu vermeiden. Auch die Importzölle auf Autos begründet Trump mit nationalen Sicherheitsinteressen, was nicht nur in Europa für Unverständnis sorgt, sondern auch in amerikanischen Wirtschaftskreisen auf massive Kritik stößt.

Das Argument stelle ihn vor Rätsel, sagt John Bazzella, Direktor der Association of Global Automakers, eines Verbands, der die Interessen ausländischer, auch in den USA produzierender Autobauer vertritt. Im Übrigen komme kein in Amerika vom Band laufendes Auto ohne importierte Komponenten aus. Selbst im günstigsten Fall stamme mindestens ein Viertel der Teile aus dem Ausland.

Schon deshalb würde ein Zollwettlauf durch die Bank zu höheren Preisen führen, auch bei Fahrzeugen "Made in America". "Wir müssen herauskommen aus diesem Teufelskreis, bei dem wir Gleiches mit Gleichem vergelten", mahnt Bazzella. Wenn Juncker eine Art Pause erreiche, wäre seine Reise schon ein Erfolg.

Juncker: "Auf gleicher Augenhöhe"

Vor dem Treffen mit Trump hatte der Kommissionspräsident demonstrativ selbstbewusst Verhandlungen "auf gleicher Augenhöhe" angekündigt. "Wir sitzen hier nicht auf der Anklagebank. Insofern brauchen wir uns auch nicht zu verteidigen", sagte er in einem ZDF-Interview. Juncker plädierte für eine "Beruhigung der Gesamtlage", warnte aber auch vor europäischen Gegenmaßnahmen.

Sollte es zu Autozöllen kommen, müsse man reagieren. "Dazu sind wir bereit. Das haben wir nicht im Gepäck, aber im Kopf. Wir sind in der Lage, dass wir sofort adäquat antworten können." Cecilia Malmström, die Handelskommissarin der Union, entwarf in einem Interview mit der schwedischen Tageszeitung "Dagens Nyheter" eine genauere Skizze. Die EU werde auf amerikanische Waren Zölle im Wert von rund 20 Milliarden Dollar aufschlagen, falls Trump seine Drohung mit Autozöllen wahrmache.

WTO-Chef zeigt sich alarmiert

In Genf zeigte sich der Chef der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevêdo, alarmiert von den zuletzt gestiegenen Tendenzen, nationale Märkte durch Zölle abzuschotten. "Ich fürchte um den Handel, um Arbeitsplätze, Kaufkraft und Gehälter. Wenn wir diesen Weg weitergehen, werden wir in jedem Land eine Konjunkturabschwächung sehen", warnte er. "Neue Hemmnisse bedrohen Wachstum, Arbeitsplätze und die Erholung der Weltwirtschaft." Politiker müssten erkennen, dass die Wurzel solcher Entwicklungen das Ersticken des Handels ist. (Frank Hermann aus Washington, red, 25.7.2018)