Juncker und Trump bei ihrem Treffen in Washington.

Foto: APA/SAUL LOEB

Berlin – Die EU hat im Handelsstreit laut dem deutschen Außenminister Heiko Maas durch die Vereinbarungen zwischen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump Zeit gewonnen. "Es wird nicht zu weiteren Maßnahmen kommen, die gegenseitig verhängt werden", sagte Maas am Donnerstag. Der Zeitgewinn sei "in einem solchen Prozess schon mal etwas". Das Ergebnis des Treffens sei damit über den Erwartungen gewesen. "Das ist noch nicht das Ergebnis, auf das wir zusteuern", aber "es hat ein positives Ergebnis doch wahrscheinlicher gemacht, als es vorher der Fall gewesen ist".

EU muss einig auftreten

Maas betonte zugleich, dass die EU geeint auftreten müsse. "Ich habe gesagt: Die Antwort auf America First kann nur lauten: Europe United." Das Treffen habe gezeigt, "wenn Europa geeint auftritt, hat unser Wort Gewicht".

"Jean-Claude Juncker hat gezeigt, dass es eben am Ende nicht darum geht, wer die größten Buchstaben bei Twitter benutzt, sondern darum, ob man reale Lösungen anzubieten hat oder nur starke Sprüche", erklärte Maas unter Anspielung auf Trumps häufige Twitter-Veröffentlichungen.

EU-Politiker sind optimistisch

Überwiegend zustimmend äußerten sich am Donnerstag Europaabgeordnete zu Junckers Treffen mit Trump. "Die Drohkulisse bleibt – das ist sehr bedauerlich und keine gute Grundlage für konkrete Verhandlungen", betonte jedoch Bern Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament. "Einzig die Verabredung, wieder miteinander zu sprechen, ist besser, als gar nicht zu reden", meinte der SPD-Abgeordnete. "Das Europäische Parlament, aber auch die EU-Mitgliedsstaaten werden ein mögliches Mandat für konkrete Verhandlungen mit den USA genau prüfen – einen Deal unter Druck und aus der Hüfte wird es nicht geben." Vorher müssten aber "illegale Abschottungszölle" endgültig vom Tisch.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber betonte auf Twitter, dass einmal mehr klar werde, "Europa ist stark, wenn es geschlossen auftritt. Wir stehen für fairen Handel, weil alle davon profitieren. So werden Jobs und Wachstum in der EU und den USA gesichert." Das seien gute Nachrichten aus Washington.

Als einen "ersten wichtigen Schritt zur Entschärfung des Handelskonflikts mit den USA" wertet Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer das Ergebnis des Treffens.

Weitere Eskalation vermeiden

Der Vorsitzende der liberalen Alde-Fraktion im Europaparlament, Guy Verhofstadt, twitterte, er hoffe, das werde eine weitere Eskalation vermeiden, "aber lasst uns nicht naiv sein: Wir müssen Trump beim Wort nehmen und die Stahl- und Aluminium-Strafzölle loswerden und einen gemeinsamen Ansatz gegenüber China zur Respektierung internationaler Regeln finden."

Sehr erfreut zeigte sich die Neos-Europaabgeordnete Angelika Mlinar: "Es ist ein Bekenntnis zum Freihandel und ein Wiederbeleben von TTIP. Das stärkt die EU." Weil auch das schwierige Thema Landwirtschaft behandelt beziehungsweise inkludiert werde, wäre ein neues Freihandelsabkommen sogar besser als das gescheiterte TTIP. Sie hoffe, dass Junckers Verhandlungsgeschick nun auch vielen EU-Bürgern zeige, was Sachpolitik bewirken könne und wie Populismus den Wohlstand und sozialen Frieden nachhaltig gefährden könne, betonte Mlinar. "Egal ob dieser Populismus von Donald Trump, Matteo Salvini, Viktor Orbán oder Sebastian Kurz kommt."

Freude bei den Autobauern

Die deutschen Autohersteller begrüßten ebenfalls den Deal im Handelsstreit. "Dieses Signal der Deeskalation ist wichtig und nach den Entwicklungen der vergangenen Wochen ein großer Schritt nach vorn", teilte der Branchenverband VDA am Donnerstag mit. "Damit besteht nun eine reale Chance, zusätzliche Zölle oder gar einen Handelskrieg zwischen den USA und der EU zu verhindern. Das ist eine gute Nachricht für Wirtschaft und Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks." Nun gelte es, die Verständigung mit Leben zu füllen und rasch Verhandlungen aufzunehmen.

Felbermayr sieht Chance für schnelle Umsetzung

Der Handelsexperte des deutschen Ifo-Instituts, Gabriel Felbermayr, sieht die Chance für eine relativ schnelle Umsetzung des Kompromisses zwischen der EU und den USA. "Wenn man den politischen Willen hat, kann man in einem halben Jahr mit einem Text kommen", sagte er am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Unterschriftsreif könnte ein Text dann unter "sehr, sehr optimistischen" Annahmen in einem Jahr sein. Klar ist für ihn, dass die Absprachen Trumps und Junckers in ein Freihandelsabkommen münden müssten, um den Regeln der Welthandelsorganisation zu entsprechen.

Von TTIP-Vorarbeiten profitieren

Freihandelsabkommen erfordern üblicherweise Verhandlungen von mehreren Jahren. "Schnell geht in der Handelspolitik gar nichts", merkte Felbermayr an. In diesem Fall habe es aber durch die vor mehr als einem Jahr gestoppten TTIP-Verhandlungen schon viel Vorarbeit beim Zollabbau gegeben, argumentierte Felbermayr. Daher könne es jetzt eigentlich schneller gehen.

Ein neues Mandat der Mitgliedsländer brauchte die EU für solche Verhandlungen der Kommission mit den USA laut Felbermayr nicht. "Das Mandat von TTIP existiert, das kann man weiter nutzen." Gegenüber den schwierigen TTIP-Gesprächen könnten die Gespräche leichter werden, weil wesentliche Streitpunkte nicht mehr aktuell seien. "Ein paar dieser großen schwierigen Themenblöcke wären jetzt gar nicht mehr auf dem Tisch." So sei Trump offensichtlich nicht mehr an einem Investorenschutz für US-Firmen interessiert, und auch das Thema Dienstleistungen, das bei TTIP sehr strittig war, interessiere den US-Präsidenten wenig.

Bewegung an den Börsen

Die vorerst gebannte Gefahr von US-Strafzöllen auf europäische Autos gab den Börsen Auftrieb. Angeführt von den Fahrzeugherstellern legte der Dax am Donnerstagvormittag 1,3 Prozent zu, der Eurostoxx 50 gewann 0,6 Prozent.

Wegen des Handelsstreits zwischen den USA und China halten sich Anleger mit Engagements an den asiatischen Aktienmärkten zurück. Der japanische Nikkei-Index lag am Donnerstag knapp im Minus, die Börse in Schanghai gab 0,7 Prozent nach. Trump habe zwar den Zollkonflikt mit der EU entschärft, gegenüber China zeige er sich aber unnachgiebig, sagten Börsianer. Offenbar wolle er die EU und China gegeneinander ausspielen.

Die Aussicht auf eine steigende Nachfrage aus Europa beflügelte hingegen die Preise für US-Sojabohnen. Der Terminkontrakt verteuerte sich am Donnerstag um 2,2 Prozent auf 8,80 Dollar je Scheffel. Im Rahmen der Vereinbarung sollen die Europäer unter anderem mehr US-Soja importieren. (red, APA, Reuters, 27.7.2018)