Einer der schönsten Anblicke am Firmament ist wohl ein Komet mit voll entfaltetem Schweif, oder eigentlich sollte man sagen "mit seinen Schweifen", weil – wenn man genau hinsieht – erkennt man, dass es zwei davon gibt: einen geraden und einen gekrümmten. Was hat es damit auf sich? Wie entstehen diese Schweife? Diesen und anderen Fragen bin ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Schweden und den USA im Rahmen der ESA-Mission Rosetta nachgegangen. Aber lassen Sie mich die Geschichte der Kometen von Anfang an erzählen.

Fluch oder Segen?

Kometen sind seit jeher bewundert und gefürchtet. In einem Gemälde von Giotto wurde der Stern von Bethlehem erstmals als Komet dargestellt und damit als Zeichen der Hoffnung gedeutet. Die ESA-Mission Giotto zum Kometen Halley wurde nach ihm benannt. Anderseits wurden Kometen auch als Omen gesehen. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Komet Halley auf dem berühmten Teppich von Bayeux, der die Geschichte von König Harald II erzählt. Kurz nachdem dieser im Jänner 1066 den Thron bestiegen hatte, erschien ein Komet am Himmel. Ein paar Monate später wurde er von Herzog Wilhelm dem Eroberer in der Schlacht von Hastings besiegt. Je nachdem, ob man nun Harald oder Wilhelm unterstützt hatte, wurde der Komet als gutes oder böses Omen gedeutet.

"Anbetung der Heiligen Drei Könige" von Giotto in der Capella degli Scrovegni, Padua, Italien.
Foto: Public Domain

Erste wissenschaftliche Beobachtungen

Im Großen und Ganzen hat die wissenschaftliche Untersuchung von Kometen mit dem dänischen Astronomen Tycho Brahe begonnen, der in einem seiner Notizbücher seine Beobachtungen vom "great comet of 1577" niedergeschrieben hat. Er fand heraus, dass die tägliche Parallaxe dieses Kometen – das heißt die Verschiebung in Bezug auf seine Hintergrundsterne – kleiner war als die des Mondes. Das bedeutet, dass der Komet kein atmosphärisches Phänomen sein kann – was damals oft geglaubt, aber schon von Seneca dem Jüngeren bezweifelt wurde –, sondern ein Himmelskörper ist. Brahe kam auch zur Schlussfolgerung, dass der Kometenschweif immer von der Sonne abgewandt ist. Es sollte allerdings noch fast 400 Jahre dauern, bis klar wurde, warum das so ist.

Tycho Brahes Skizze seiner Kometenbeobachtungen.
Foto: Public Domain

Anti-Kometen-Pillen

Wissenschafter im Chicago Yerkes Observatory hatten im Jahr 1908 den Schweif des Kometen Morehouse mit der neuen Methode der Spektralanalyse analysiert. Dabei haben sie herausgefunden, dass der Schweif höchst giftig war, weil er Blausäure enthält. 1910, bei der Rückkehr des Kometen 1P/Halley, würde die Erde durch seinen Schweif ziehen. Der französische Astronom Camille Flammarion erwartete, dass die Erdatmosphäre mit dem Gift imprägniert und damit alles Leben auf der Erde ausgelöscht würde. Die "New York Times" berichtete darüber und löste damit Panik aus. Aber auch die Wirtschaft reagierte: Anti-Kometen-Pillen, Gasmasken und Kometenschutz-Regenschirme wurden auf dem Markt angeboten. Am 20. Mai, nachdem die Erde den Kometenschweif durchquert hatte, war natürlich nichts passiert. "Die Gesamtmenge der Materie im Schweif ist sicherlich äußerst gering", schrieb ein Bulletin der St. Louis University schon im April 1910. Die "New York Times" berichtete am 21. Mai: "Berechnungen deuten darauf hin, dass der Schweif die Erde passiert und sie um 197.000 Meilen verfehlt hat."

Beginn der modernen Kometenforschung

Schon 1914 hatte der schwedische Astronom Elis Strömgren in seiner Arbeit "Ueber den Ursprung der Kometen" nachgewiesen, dass es keine Kometen mit hyperbolischen Bahnen gibt und dass Kometen deshalb keinen interstellaren Ursprung haben können, obwohl uns der Vorbeiflug von Oumuamua im Oktober 2017 anderes gelehrt hat. Der niederländische Astronom Jan Hendrik Oort stellte fest, dass es rund um die Sonne – in einer Entfernung von rund 100.000 Astronomischen Einheiten – eine "Wolke" von Kometen gibt. Sie gilt als Ursprungsort langperiodischer Kometen und wird heute "Oortsche Wolke" genannt. Kurzperiodische Kometen hingegen stammen aus dem näher gelegenen, nach dem Amerikaner Gerard Kuiper benannten Gürtel.

Kometen stammen entweder aus der Oortschen Wolke oder aus dem Kuiper-Gürtel.
Grafik: DLR / CC-BY 3.0

Schmutziger Schneeball

Kometen haben dann wohl keine hyperbolische Bahn, aber sie weichen auch von der Keplerschen elliptischen Umlaufbahn ab, wie man aus Beobachtungen des Kometen 2P/Encke weiß. Eine Erklärung dafür fand der britische Astronom Fred Whipple 1950 mit seinem Modell eines Kometenkerns. Darin besteht der Kometenkern aus einem Konglomerat von flüchtigem Eis (zum Beispiel H2O und CO2), gebunden in einem festen Körper aus meteoritischem Material. Dieses Modell wurde bekannt unter den Namen "dirty snowball".

Wenn so ein Brocken Urgestein innerhalb der Umlaufbahn von Jupiter gelangt, erwärmt die Sonne den Kometen so stark, dass das Eis direkt unter seiner Oberfläche sublimiert, das heißt verdampft. Das explosionsartig entweichende Gas gibt dem Kometen einen Extraschub und stört seine Keplersche Bahn. Mit dem Gas wird auch Staub von der Oberfläche in den Weltraum transportiert. Diese Mischung aus Gas und Staub in der Umgebung des Kometen bildet die beiden Schweife, die wir am Firmament sehen und macht aus dem unscheinbaren "schmutzigen Schneeball" eine imposante Himmelserscheinung.

Imposanter Staubschweif des Kometen McNaught über dem Pazifik.
Foto: ESO/Sebastian Deiries

Gekrümmter Staubschweif versus gerader Gasschweif

Der Staub, der mit Fluchtgeschwindigkeit den Kometenkern verlässt, formt einen Schweif entlang der Umlaufbahn. Der Strahlungsdruck des Sonnenlichts schiebt die leichten Staubteilchen vom Kometen und von der Sonne weg. Größere Partikel werden jedoch weniger stark verdrängt, weshalb wir einen gekrümmten, breiten Schweif sehen.

Das Gas wird durch die Sonnenstrahlung teilweise ionisiert, die UV-Strahlung löst ein (oder mehrere) Elektron(en) von den Gasmolekülen und formt damit eine Mischung von negativen Elektronen, positiven Ionen und neutralen Teilchen. Dieses sogenannte Plasma bildet den Gasschweif des Kometen.

Komet Hale-Bopp mit seinem weißen Staub- und blauen Gasschweif.
E. Kolmhofer, H. Raab; Johannes-Kepler-Observatory

Aber wieso ist der Gasschweif so gerade und verläuft immer entlang der Sonnen-Kometen-Linie?

Der deutsche Physiker Ludwig Biermann befasste sich mit dieser Frage 1951. Er fand heraus, dass der Strahlungsdruck der Sonne nicht ausreichen konnte, um das Gas abzulenken. Es musste noch eine zusätzliche Ursache dafür geben. Er postulierte, dass das mit "Korpuskularstrahlung" zusammenhing, also einem Teilchenstrom, der von der Sonne ausgesendet wird. Dieser Strom würde mit den Gasteilchen zusammenstoßen und ihnen so einen Extraschub geben. Damit wurde die Idee des Sonnenwinds wiederbelebt, die der norwegische Physiker Kristian Birkeland schon 1916 vorhergesagt hatte, um die Entstehung der Nordlichter zu erklären. Beim Sonnenwind handelt es sich um Korpuskularstrahlung, die aus gleich vielen positiv wie negativ geladenen Teilchen besteht. Weitere Berechnungen zeigten jedoch, dass der Sonnenwind zwar eine gute Schubkraft hat, aber keine Erklärung dafür liefert, warum der Gasschweif so eng gebündelt ist.

Die endgültige Erklärung für die Bündelung des Gasschweifs lieferte der schwedische Physiker Hannes Alfvén mit seiner bereits 1942 verfassten Theorie der Magnetohydrodynamik, für die er 1970 den Nobelpreis bekommen sollte. 1957 behauptete er, dass der Sonnenwind nicht nur aus Plasma besteht, sondern auch ein Magnetfeld "eingefroren" hat. Das aus dem Kometenkern austretende Gas wird durch die solare UV-Strahlung teilweise ionisiert. Die Ionen und Elektronen haben eine Wechselwirkung mit dem Sonnenwind und dem eingefrorenen Magnetfeld. In der Nähe des Kerns greift sich der Sonnenwind die Ionen und Elektronen (Lorentzkraft) und wird dadurch schwerer und langsamer (Impulserhalt). Weiter weg vom Kern entstehen weniger neue Ionen und die Geschwindigkeit des Sonnenwinds bleibt fast gleich. So wird das Magnetfeld rund um den Kern drapiert und damit der Gasschweif richtig gebündelt. Alfvén hat somit das Rätsel über die Entstehung des Gasschweifs gelöst.

Komet-Sonnenwind-Wechselwirkung nach Alfén (links) und Koenders (rechts).
Grafik: Martin Volwerk, IWF/ÖAW

Können Daten die Theorie bestätigen?

Das Abbremsen des Sonnenwindes bringt auch mit sich, dass an der Vorderseite des Kometen das Magnetfeld komprimiert und damit stärker wird. Je näher der Komet der Sonne kommt, umso aktiver wird er. Immer mehr Gas wird ionisiert, was den Sonnenwind immer schwerer und langsamer macht. Dadurch verstärkt sich das Magnetfeld auf der Sonnenseite. Die ESA-Raumsonde Rosetta hat den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko (67P/CG) zwei Jahre lang begleitet, um zu beobachten, wie er sich bei seiner Annäherung an die Sonne verändert. Charlotte Götz hat die Veränderung des Magnetfelds aus den Daten errechnet und grafisch dargestellt.

Entwicklung des Magnetfelds rund um den Rosetta-Kometen 67P/CG.
Grafik: Charlotte Götz, TU Braunschweig

Und was ist mit dem Schweif?

Wenn sich das Magnetfeld um den Kern legt, zeigt das dahinter liegende Magnetfeld in zwei Richtungen. Rosetta konnte die große Struktur des Schweifs leider nicht messen, weil die Flugbahn 1000 Kilometer hinter dem Kern endete. Um dieses Phänomen untersuchen zu können, braucht man eine viel größere Entfernung. Dies hatte Jim Slavin 1985 beobachtet, als am 11. September der International Cometary Explorer (ICE) den Schweif des Kometen 21P/Giacobini-Zinner etwa 7000 Kilometer hinter dem Kern durchquerte. Die Ergebnisse zeigten, dass die große Magnetfeldstruktur des Schweifs ähnlich ist, wie Alfvén sie beschrieben hatte.

ICE durchquert den Schweif des Kometen 21P/Giacobini-Zinner.
Grafik: Jim Slavin

Der singende Komet

Hat Rosetta dann gar nichts Interessantes gemessen? Oh doch! Nur nicht genau das, was man erwartet hat. Das liegt wohl daran, dass man noch niemals so nah an einem Kometen das Magnetfeld und Teilchen gemessen hat. Im Prinzip legt sich Magnetfeld genauso um den Kern, wie Alfvén es beschrieben hat. Seine Theorie funktioniert allerdings nur im großen Maßstab, das heißt über Distanzen, die größer als der Ionengyroradius sind. Im Falle des Kometen 67P/CG sind das mehrere tausend Kilometer.

Rosettas Bahn verlief sehr nah am Kometen. Damit konnte die Raumsonde im Entstehungsgebiet der neuen Ionen beobachten, wie diese in einer fast geraden Linie, senkrecht zum Magnetfeld, beschleunigt wurden. Diese Ionenbewegung erzeugt das Phänomen des "singenden Kometen".

Auch hier kommt der Impulserhalt ins Spiel. Die neuen Ionen werden in Richtung des konvektiven elektrischen Feldes des Sonnenwindes beschleunigt, das durch die Bewegung des Magnetfeldes relativ zum Satelliten generiert wird. Als Newtonsche Reaktion darauf muss sich der Sonnenwind in Gegenrichtung bewegen. Dabei schleppt er das eingefrorene Magnetfeld mit sich. Rosetta hat diese Ablenkung von Sonnenwind und Magnetfeld in der Nähe von 67P/CG gemessen. Christoph Koenders zeigte, dass das Magnetfeld an der Vorderseite des Kometen nicht in Äquatorebene abgelenkt wurde, sondern nach oben auswich. Zusätzlich beobachtete ich selbst, dass das Magnetfeld bis etwa 500 Kilometer hinter dem Kern quasi senkrecht zum Schweif steht. In größerer Entfernung entspricht die Richtung wieder dem Alfvénschen Modell.

VangelisVEVO

1 ≠ 67

Bis jetzt haben wir nur vier Kometen genau unter die Lupe genommen: 1P/Halley, 21P/Giacobini-Zinner, 26P/Grigg-Skjellerup und 67P/CG, wobei nur bei Letzterem Langzeitaufnahmen gemacht wurden. Auch die Aktivität der Kometen war unterschiedlich, wobei 67P/CG am wenigsten aktiv war. Das bedeutet wiederum, dass auch die Wechselwirkung zwischen Sonnenwind und Komet sehr unterschiedlich ist, und man nicht einfach die Ergebnisse miteinander vergleichen kann.

In Wissenschaftskreisen heißt es oft 1 ≠ 67. Das ist nicht nur mathematisch korrekt, sondern wird auch durch die Datenauswertung bestätigt. Da Halley bis 2014 der am meisten untersuchte Kometen war – eine Flotte von sechs Raumsonden hatte ihn im Visier – galt dieser als Standard für die Kometen-Sonnenwind-Wechselwirkung. Rosetta hat aber gezeigt, dass wir nicht einfach vom Kometen 1P/Halley zum Kometen 67P/CG hinunterskalieren können, und alles durch 40 teilen, weil 67P/CG viermal so klein und zehnmal weniger aktiv ist.

Einige der bisherigen Theorien über die Wechselwirkung zwischen Sonnenwind und Komet wurden aufgrund der neuen Ergebnisse von Rosetta bereits angepasst. Bis alle Daten ausgewertet sind, werden noch etliche Jahre vergehen. (Martin Volwerk, 10.8.2018)

Martin Volwerk studierte Astrophysik an der Universität Utrecht und ist nach Aufenthalten am CNRS in Vélizy, an der University of Arizona und an der University of California in Los Angeles seit 2001 am Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) als Wissenschaftler tätig. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Weltraumplasmaphysik.