In ihrer Dissertation untersucht die Historikerin Katharina Scharf das Phänomen des Tourismus am Beispiel der alpinen Regionen Salzburg und Savoyen.

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Nie zuvor konnten so viele Menschen reisen wie heute, doch kaum jemand betrachtet sich als Tourist. Touristen sind immer die anderen, denn an diesem Begriff haften inzwischen viele unangenehme Assoziationen, von der Naturzerstörung bis zum "Neokolonialismus". Gleichzeitig ist der Tourismus für viele Regionen ein zentraler Wirtschaftszweig, an dem der Wohlstand ihrer Bewohner hängt.

In ihrer Dissertation untersucht die Historikerin Katharina Scharf das Phänomen des Tourismus am Beispiel der alpinen Regionen Salzburg und Savoyen. Wie hat der Fremdenverkehr diese Regionen verändert, und warum wurde er überhaupt so bestimmend? Seit wann und aus welchen Gründen wird am Tourismus Kritik geübt? "In meiner Arbeit untersuche ich die touristische Erschließung und Transformation Salzburgs von 1860, als das Land an das internationale Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, bis zum Ersten Weltkrieg", sagt die Nachwuchsforscherin.

Der Vergleich mit der französischen Region Savoyen, die sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ebenfalls von einem abgelegenen Agrargebiet zu einer florierenden Tourismusdestination entwickelt hat, brachte erstaunliche Parallelen zutage: "Beide Regionen begleitet von Anfang an die Streitfrage: Bewahren oder erschließen?", fand Katharina Scharf heraus. "Da der landschaftsgebundene Tourismus durch Infrastrukturausbau und technische Innovationen quasi selbst seine wichtigste Ressource verbraucht, sind gewisse Konflikte vorprogrammiert."

So hat zum Beispiel der Alpenverein, der von Beginn an zu den wichtigsten Tourismusförderern gehörte, schon früh vor der Naturzerstörung durch den boomenden Alpintourismus gewarnt. "Dass das Naturschutzthema schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts so präsent war, hat mich überrascht", so die gebürtige Innviertlerin. "Geht man üblicherweise doch davon aus, dass die Umweltbewegung erst in den 1970er-Jahren stark geworden ist."

Für ihre Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Tourismus und Mobilität ermöglichenden Infrastrukturen sowie der sozioökonomischen, ökologischen und kulturellen Auswirkungen hat Scharf unterschiedlichste Quellen durchforstet: von Zeitungen, Reiseberichten und Werbematerialien über Vereinsakten und Subventionsansuchen bis zu Protokollen von Landtagssitzungen. "Salzburg war 1816 als bettelarmes Land zu Österreich gekommen, und der Tourismus erschien vielen als Ausweg aus der wirtschaftlichen Not." Dass dieser Ausweg nicht kostenlos zu begehen war, erkannte man relativ bald.

Und wie hält es die 30-Jährige selbst mit dem Reisen? "Ich bin gerne in Europa unterwegs – allerdings nicht mit dem Auto, sondern mit der Eisenbahn! Zugreisen sind meine Leidenschaft und zudem eine relativ rücksichtsvolle Art der Fortbewegung." Auch in die Berge zieht es die Wahlsalzburgerin häufig. "Als Historikerin mit Schwerpunkt Regionalgeschichte weiß man zwar, dass die malerischen Almlandschaften auch für uns Touristen gestaltet wurden", sagt sie. "Aber man kann das Wandern und Reisen auch genießen, wenn man mit kritischen Augen durch die Welt geht." (grido, 28.7.2018)