Ein verunglückter Bankraub bringt dem Hotel Artemis neue Gäste. Nicht jeder wird eingelassen. Es sind ausschließlich verwundete Kriminelle, die in dem Geheimspital in einem von Aufständen geplagten Los Angeles des Jahres 2028 Zuflucht und medizinische Versorgung finden. Ohne Mitgliedschaft geht aber auch hier nichts. Gemeinsam mit ihrem bulligen Assistenten Everest (Dave Bautista) wacht Krankenschwester Jean Thomas (Jodie Foster) über die Einhaltung eines rigorosen Ehrenkodex.

Helfen verwundeten Kriminellen, die sich an ihre Spielregeln halten, wieder auf die Beine: Jodie Foster und Dave Bautista in "Hotel Artemis".
Foto: Concorde Film

Keine leichte Aufgabe, wenn so gut wie alle Gäste etwas zu verbergen haben. Schon gar nicht, wenn selbst die Hausherrin in Versuchung gerät, die Ordnung zu brechen, um ausgerechnet einer verletzten Polizistin zu helfen. Der Grund dafür liegt in der Vergangenheit.

Neurotische Kriminelle

So gut wie alle Gäste in Drew Pearces dystopischem Neo-Noir Hotel Artemis sind nicht nur in kriminelle Machenschaften verstrickt, sondern bringen ein beträchtliches Gepäck an Traumata, dysfunktionalen Beziehungen und Neurosen mit. Das gilt für den von Jeff Goldblum mit viel Gusto verkörperten Oberbösewicht Wolf King ebenso wie seinen um Anerkennung ringenden Sohn. Auch jene beiden Brüder, die mit ihrem Raubversuch die Handlung erst ins Rollen bringen, hadern mit ihrer Schicksalsgemeinschaft.

Englischsprachiger Trailer zu "Hotel Artemis".
Global Road Entertainment

Pearce, Schöpfer der britischen Superhelden-Comedy-Serie No Heroics und Drehbuchautor von Iron Man 3 und Mission: Impossible – Rogue Nation, weiß diese Konstellation in seinem Regiedebüt für vergnügliche Genrevariationen zu nutzen. Hotel Artemis ist in einem Los Angeles der ewigen Nacht angesiedelt, wie man es aus anderen Neo-Noir-Filmen, allen voran Blade Runner, kennt. Der Mangel an Trinkwasser und das profitable Geschäft damit machen die Stadt der Engel zum unwirtlichen Ort. Das retrofuturistische Hotelambiente sorgt für den adäquat klaustrophobischen Rahmen, innerhalb dessen sich immer mehr Druck aufbaut. Im Finale kulminiert das Kammerspiel in perfekt choreografierten Kampfszenen.

Schutzengel der Outlaws

Kristallisationsfigur vom Anfang bis zum Ende bleibt die re solute, alkoholkranke Krankenschwester. Das Hotel Artemis, das in seinem der griechischen Mythologie entlehnten Namen auf die Hüterin der Frauen und Kinder verweist, ist ihr Territorium. Jodie Foster verleiht der einstigen Ärztin, die nun als Schutzengel der Outlaws fungiert, den notwendigen Witz. Dass die ergraute Helferin an Agoraphobie leidet, also die Welt jenseits der hermetisch geschlossenen Hotelräume nur schwer erträgt, ist nicht nur ein netter Drehbuchwitz, sondern verankert sie vollends in ihrem Wirkungsbereich.

Deutschsprachige Clips aus "Hotel Artemis".
Moviepilot Trailer

Nebst Fosters schrullig-sympathischem Schauspiel trägt nicht zuletzt der zielsichere Einsatz der Filmmusik zum Charme des Films bei. Wie bei den Setdesigns wird auch hier gewissermaßen zeitlosem Retrofuturismus gehuldigt. Wenn Schwester Jean im Film Musik hört, dann natürlich auf Vinyl. Der schon im Titel programmatische Song Gilded Cage des jungen, gehypten Singer-Songwriters Father John Misty klingt denn so, als sei er in den 60er- oder 70er-Jahren entstanden. City of the Angels wiederum verschafft dem 1968 eingespielten, lange unveröffentlichten Debütalbum der kanadischen Singer-Songwriterin Elyse Weinberg Gehör. Und California Dreamin’ von The Mamas & The Papas taugt natürlich bestens als ironischer Kommentar auf die Filmvision.

Am besten auf den Punkt bringen lässt sich der für Hotel Artemis bestimmende Code aber mit einem Dylan-Song-Zitat, das im Soundtrack gar nicht vorkommt: "To live outside the law you must be honest." (Karl Gedlicka, 27.7.2018)