Der frühere Raiffeisen-Generalsekretär und Flüchtlingskoordinator Christian Konrad rechnet mit der neuen ÖVP unter Kanzler Sebastian Kurz ab: Es sei keine christlich-soziale Partei mehr.

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Wien – Kritische Worte für den Flüchtlingskurs der Regierung und auch für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) findet der frühere Flüchtlingskoordinator Christian Konrad im "Kleine Zeitung"-Interview vom Freitag. Die ÖVP sieht er nicht mehr als christlichsoziale Partei an. Kurz habe zwar ein Kreuz im Büro hängen, aber "die Politik zwingt ihn offenbar dazu, in der Frage der Humanität anders zu sein".

Sein Verhältnis zu Kurz – den er von Anfang an sehr gemocht habe – sei "schwieriger geworden", denn "irgendwann einmal ist er in der Flüchtlingsfrage auf ein anderes Gleis abgebogen". Jetzt sei man "in der Frage der Humanität auseinander".

Ängste "verstärkt, statt zu argumentieren"

Konrad wirft "der Politik" vor, dass sie die – durch die Bilder des Jahres 2015 ausgelösten – Ängste "aufnimmt, verstärkt, statt zu argumentieren". "Schwer kontraproduktiv" sei es, Mittel für Arbeitsmarktförderung und Deutschkurse zu streichen. "Teils haarsträubend" nennt Konrad die Vorschläge in der Sozialpolitik, etwa die Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im osteuropäischen Ausland. "Ohne die ausländischen Seniorenpfleger wäre die Gesellschaft in einem erbärmlichen Zustand." Und es werde "der Neidkomplex geschürt": "Da wird von Familien geredet, die 3.000 Euro Notstandshilfe bekommen, und dann stellt sich heraus, es sind zehn Fälle."

Die Sozialpartnerschaft nennt Konrad "unverzichtbar". Er glaubt nicht, dass Kurz sie auflösen wolle, "aber er treibt sie vor sich her". Der frühere Raiffeisen-General geht jedoch davon aus, dass sie "schon zurückschlagen" werden, dann gebe es einen Neuanfang.

VP-Generalsekretär: Konrad "realitätsfern"

In der ÖVP reagierte Generalsekretär Karl Nehammer. Der Regierung mangelnde Humanität vorzuwerfen, "ist also anhand von Fakten nicht nachvollziehbar und realitätsfern", schließlich habe man 2015 und 2016 mehr Flüchtlinge aufgenommen als andere EU-Länder. Diesen Weg weiterzugehen wäre laut Nehammer aber "unsozial": Wir können nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen als integrieren. Denn nur wer den Sozialstaat schützt, kann den sozialen Frieden in Österreich garantieren." (APA, 26.7.2018)