Fett ist lebensnotwendig, weil der Organismus es als Treibstoff braucht. Transfette hingegen sind schädlich. Sie sind in vielen Fertigprodukten enthalten.

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"Nicht so viel Butter aufs Brot", warnen Eltern. "Das ist ungesund!" Auch bei Wurst- und Fleischwaren sollen Kinder maßhalten. Und oft kommen fettreduzierte "Light"-Produkte auf den Tisch. Kein Wunder, denn jahrzehntelang schürten Ernährungsexperten die Angst vor erhöhten Blutfettwerten. Deftiges Essen mache nicht nur dick, Fette lagerten sich auch in den Blutgefäßen ab. Dadurch steige das Risiko für Herzinfarkt. Doch sind fettreiche Lebensmittel wirklich so schädlich?

Unlängst ergab eine Studie, die in der Fachzeitschrift "The Lancet" erschienen ist: Wer viel Fett konsumiert, lebt länger. Deftig zu essen sei sogar gesünder als eine Diät, die besonders viel Gemüse enthält. 135.000 Versuchspersonen im Alter von 35 bis 70 Jahren hat ein internationales Forscherteam untersucht.

Die Testpersonen stammten aus allen Kontinenten, aus Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländern. Nachdem die Wissenschafter die Essgewohnheiten der Probanden erfragt hatten, verzeichneten sie während sieben Jahren alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Todesfälle. Am Ende stellten sie fest, dass ausgerechnet der höchste Konsum von Fett mit einer besonders hohen Lebenserwartung einherging.

Gesättigt oder ungesättigt

Es ist nicht das einzige überraschende Ergebnis der Untersuchung: Gesättigte Fettsäuren, die etwa in Wurst, Fleisch, Butter und Käse enthalten sind, gelten gemeinhin als besonders ungesund. Doch die Lancet-Studie scheint das zu widerlegen: Es spielte keine Rolle, ob "schädliche" gesättigte oder "gute" ungesättigte Fettsäuren konsumiert wurden – der Verzehr von viel Fett begünstigte eine hohe Lebenserwartung.

Die Studie ist aber umstritten. "Obwohl sehr viel Aufwand betrieben wurde, ist ihre Aussagekraft eher gering", sagt Ulrich Keller, Endokrinologe an der Universität Basel. Gerade die weltweite Rekrutierung der Probanden mache die Interpretation der Resultate schwierig: Wer in einem Land mit niedrigem Lebensstandard viel Fett konsumiere, sei in der Regel relativ reich und gebildet und könne sich dadurch eine bessere Gesundheitsversorgung leisten als jene, die gegen das Verhungern kämpfen, so Keller. Das erhöhe die Lebenserwartung. Ungünstige Gesundheitseffekte gesättigter Fettsäuren, die andere Studien deutlich zeigten, seien durch diesen stärkeren Einflussfaktor in den Hintergrund gedrängt worden.

Eine generelle Warnung vor Fett hält jedoch auch Keller für überholt. "In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass Fette differenzierter betrachtet werden müssen", sagt er. Alexandra Hofer, Geschäftsführerin der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) in Wien, sieht das ähnlich. "Fette sind wichtige Energielieferanten und erfüllen im Körper viele lebensnotwendige Funktionen", so die Ernährungswissenschafterin. Sie ermöglichen es uns, die Vitamine A, D, E und K aufzunehmen. "Bis zu einem Drittel der täglichen Kalorienaufnahme darf aus Fetten stammen", sagt Hofer.

Zu viele Kilos

Aber führt deftige Kost nicht schnell zu Übergewicht? Fast jeder zweite österreichische Erwachsene und etwa jedes dritte Kind bringt zu viel Gewicht auf die Waage. Viele Leute glauben, dass das an zu fettem Essen liege. Doch die Sache ist komplizierter, da auch ein hoher Konsum von zucker- und energiereichen Lebensmitteln und Getränken sowie Bewegungsmangel zu einer ungünstigen Energiebilanz beitragen.

In den USA wurden fettarme Diäten in den 1980er- und 1990er-Jahren besonders intensiv propagiert. Doch trotz tausender neuer "Light"-Produkte wurden die US-Amerikaner in den letzten Jahrzehnten dicker. Wahrscheinlich liegt das nicht zuletzt daran, dass viele Leute anstelle von Fett schnell verfügbare Kohlenhydrate konsumierten: etwa Weißmehlprodukte wie Donuts, Semmeln oder Kekse. Denn durch die geringe Menge an Ballaststoffen im Weißmehl wird die Stärke im Verdauungstrakt schnell gespalten, die Energie gelangt in Form von Zucker sofort ins Blut – und man wird schnell wieder hungrig. Fette dagegen enthalten zwar viele Kalorien, sättigen aber gut.

Wer auf Linie und Gesundheit achten will, sollte sich abwechslungsreich und ausgewogen ernähren, sagen inzwischen die meisten Fachleute. Auf fettreduzierte "Light"-Produkte könne man verzichten. Und: "Es geht bei der Fettzufuhr nicht nur um die Quantität, sondern auch um die Qualität", betont ÖGE-Expertin Hofer.

Fettsäuren sind Ketten von Kohlenstoffatomen, zwischen denen chemische Bindungen bestehen: Einfachbindungen und Doppelbindungen. Handelt es sich ausschließlich um Einfachbindungen, bezeichnet man eine Fettsäure als "gesättigt". Tritt dagegen auch mindestens eine Doppelbindung auf, so spricht man von einer "ungesättigten" Fettsäure. Gesund sind insbesondere ungesättigte Fettsäuren, die sich vor allem in pflanzlichen Ölen, Nüssen, Oliven und Fisch finden. Sie haben zum Teil entzündungshemmende Eigenschaften und wirken der Arterienverkalkung entgegen. Gesättigte Fettsäuren dagegen, wie sie in Fleisch, Wurst oder Milchprodukten vorkommen, können dem Herz-Kreislauf-System schaden.

Böse Transfette, gutes Omega 3

Besondere Vorsicht ist bei Transfetten geboten, die etwa in Pommes frites, Chips, Donuts, Packerlsuppen und Fertigpizzas lauern. Sie entstehen als Nebenprodukt, wenn aus pflanzlichen Ölen streichfähige Produkte wie Margarine hergestellt werden. Transfette haben einen besonders ungünstigen Einfluss auf die Blutfettwerte und belasten Herz und Kreislauf. Seit 2009 sind in Österreich daher in industriell gefertigten Lebensmitteln nur noch zwei Gramm Transfette auf 100 Gramm Gesamtfett erlaubt.

Es gibt aber auch Fette, bei denen Ernährungswissenschafter ins Schwärmen geraten: etwa bei langkettigen Omega-3-Fettsäuren. Sie sind für die Entwicklung des Gehirns wichtig, helfen bei der Regulation von Entzündungsprozessen und reduzieren bestimmte Blutfette (Triglyceride) im Körper, die zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Da der Körper diese Fettsäuren nicht selbst herstellen kann, sollte man sie über die Nahrung aufnehmen: zum Beispiel über fettigen Fisch wie Ma krele, Hering oder Lachs.

Darüber hinaus empfiehlt die ÖGE-Geschäftsführerin Alexandra Hofer zum Anbraten von Fleisch und Gemüse sowie für Salatsaucen Rapsöl, da dieses besonders kostbare Fettsäuren enthalte. Und für Nüsse macht sich Hofer auch stark: Walnüsse, Mandeln und Haselnüsse enthalten wertvolle mehrfach ungesättigte Fettsäuren, sagt sie. "Nascht man täglich eine Handvoll, wirkt sich das positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit sowie das Gehirn aus."

Also Freispruch für Fette? Ja. Zu einer ausgewogenen Ernährung gehören auch Fette. Pommes, Schweinsbraten, Schlagobers und Fertigpizza aber sollten – obwohl fett – Ausnahmen bleiben. (Till Hein, 28.7.2018)