Regelmäßige Besuche vom geliebten Haustier sollen Leid lindern und positiv auf die Psyche wirken.

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Die Geräuschkulisse wirkt ungewohnt: Manchmal bellt und miaut es auf der Intensivstation. Mediziner erhoffen sich von der Anwesenheit der Tiere, dass sie die Kommunikation mit den Patienten erleichtert, den Stress lindert und die psychosoziale Unterstützung fördert. "Die wissenschaftliche Evidenz dafür wird dichter. Jeder, der mitverfolgt, wie eng die Beziehung zwischen Menschen und ihren Haustieren ist, weiß, dass das etwas ganz Besonderes sein kann", sagt Rudolf Likar, Präsident der Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI).

Die Frage ist, wie sich diese Beziehung positiv in der Behandlung und Betreuung von Schwerkranken nutzen lässt. "Denn immer mehr Patienten haben gar keine Angehörigen mehr, aber ein Haustier, etwa der geliebte Hund, ist noch vorhanden", ergänzt der Experte.

Haustier statt Angehörige

Erfahrungen mit Tieren gibt es bislang vor allem auf Palliativstationen. "Ärzte und Pflegepersonal müssen eingebunden sein, um gute Abläufe zu entwickeln", betont Likar. Das zeigte eine Studie der US-amerikanischen Universität Houston, die kürzlich im Fachjournal "Patient Education and Counseling" erschienen ist. Dabei wurden die Effekte der Mensch-Tier-Beziehung bei einer schweren chronischen, akut kritischen oder unheilbaren Erkrankung untersucht.

Im sogenannten "Personal Pet Hospital Visits"-Programm (PPHV) soll der Kontakt zwischen Patient und seinem Haustier in der Klinik eine psychosoziale Hilfestellung geben, Kranke aus depressiven Gemütszuständen holen helfen, eventuell auch im Falle des sich abzeichnenden Ablebens des Kranken ein friedvolles Abschiednehmen ermöglichen. "14 Jahre nach Gründung des Programms ist es Patienten in praktisch allen größeren Spitälern einer großen Stadt im Süden zugänglich. Ausgeschlossen sind bloß Patienten nach Knochenmarktransplantationen", erzählt Studienleiter Jill Yamasaki.

Das Angebot wird genutzt: "Die PPHV-Freiwilligen ermöglichen pro Monat rund 40 Haustier-Besuche in Kliniken. Mehr als 85 Prozent dieser ‘Visiten’ geschehen auf Intensivstationen bei erwachsenen Patienten oder Kranken in den letzten Tagen ihres Lebens", schreiben die Studienautoren.

Nur auf Anordnung des behandelnden Arztes

Die Voraussetzung für den Einsatz von Haustieren zu erfüllen ist relativ unkompliziert: "Der Besuch des Haustiers muss von einem behandelnden Arzt angeordnet werden. Normalerweise erfolgt der Besuch dann binnen 24 Stunden. In End-of-Life-Situationen kann das auch binnen 30 Minuten geschehen", erklärt Jill Yamasaki.

Die Besuche – primär handelt es sich um Hunde, Katzen, aber auch zum Beispiel Kaninchen – dauern normalerweise eine Stunde. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des PPHV-Programms nehmen die Tiere am Eingang des Spitals in Empfang, wo auch Eignung und Zustand überprüft werden. Dann werden sie von den Helfern zu den Patienten gebracht.

"Aus der Studie lässt sich ableiten, dass die Haustier-Besuche ganz spezielle Interaktionen auslösen", sagt Likar. Es geht um Empathie und Beziehungen zum Patienten, das Verhalten von Patienten untereinander und das Verhältnis zwischen Krankenhauspersonal und den Kranken selbst.

Der Patient als Individuum

"In einer Periode von Krise und Verzweiflung bietet der Besuch eines Haustiers eine enorme Stärkung und mildert Leiden", schildert etwa ein Onkologe die Erfahrungen mit PPHV. Eine Intensiv-Krankenschwester meint: "Die Patienten reagieren ganz aufgeregt und werden von Freude mitgerissen, wenn sie ihre Haustiere sehen."

"Wo es möglich ist, sollten wir solche Kontakte zwischen unseren Patienten und ihren Haustieren ermöglichen", ist auch Intensivmediziner Likar überzeugt. Eine auf die individuellen Patientenbedürfnisse ausgerichtete Medizin solle auch diese Aspekte menschlicher Existenz nicht missachten, resümiert der Experte. (red, 30.7.2018)