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Alfred Gusenbauer mit Julia Timoschenko, Kiew, Juli 2008.

Foto: REUTERS/Konstantin Chernichkin

Washington/Kiew/Wien – Der in den USA angeklagte Ex-Berater des früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, Paul J. Manafort, hat am Donnerstag ein brisantes Dokument im US-Gerichtsregister veröffentlicht: In dem an Janukowitsch adressierten Memorandum zur "Hapsburg Group" werden zwar keine Namen genannt, jedoch Aktivitäten beschrieben, an denen auch Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer beteiligt war.

US-Sonderermittler Robert Mueller wirft Manafort, dem Ex-Wahlkampfmanager des jetzigen US-Präsidenten Donald Trump, Wirtschaftsvergehen und unregistrierten Lobbyismus für Janukowitsch vor. Wenige Tage vor dem offiziellen Prozessauftakt in den USA am 31. Juli brachte Manafort nun einen Antrag vor Gericht ein, dutzende Beweismittel der Anklage wegen Irrelevanz sowie des Risikos einer unfairen Vorverurteilung ausschließen zu lassen – darunter auch das besagte dreiseitige Memorandum mit dem Titel "Betreffen Hapsburg – Update" vom 21. Februar 2013.

Ist Gusenbauer "Politiker A"?

"Hapsburg" bezieht sich laut Ankläger Mueller auf eine Gruppe ehemaliger europäischer Politiker, die von einem als "Politiker A" bezeichneten europäischen Ex-Kanzler angeführt wurde und auch in den USA verdecktes Lobbying für die ukrainische Regierung unter Janukowitsch betrieben haben soll. "2012 und 2013 hat Manafort zumindest vier Konten in Offshore-Ländern benutzt, um mehr als zwei Millionen Euro an die Gruppe ehemaliger Politiker zu überweisen", heißt es in Muellers letzter Version der Anklageschrift vom 8. Juni 2016. Es gibt starke Vermutungen, dass es sich bei "Politiker A" um den Ex-Kanzler und früheren SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer handelt. "Hapsburg" ist eine im englischsprachigen Raum verbreitete Schreibweise der k. u. k. Herrscherdynastie, der Begriff "Kanzler" für Regierungschefs wird nur in Österreich und Deutschland verwendet.

"Wertvoller inoffizieller Kanal"

In dem nun veröffentlichten Memorandum an den ukrainischen Staatschef Janukowitsch schrieb Manafort: "In den letzten acht Monaten war das Hapsburg-Team in einer Fülle von Veranstaltungen, die zur Forcierung positiver Meldungen in Bezug auf die ukrainische Regierung inszeniert wurden, ausgesprochen aktiv." Abgesehen von öffentlichen Veranstaltungen habe das Team aber auch als wertvoller inoffizieller Kanal gedient und frühzeitige Informationen in Bezug auf relevante Themen bei EU-Kommission und anderen hochrangigen EU-Mitarbeitern geliefert, formulierte er weiter.

Konkret habe das "Hapsburg-Team" inoffiziell mit Spitzenbürokraten wie dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, der früheren EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und anderen in Brüssel kommuniziert, um der ukrainischen Regierung beim Finalisieren der EU-Assoziierung zu helfen.

Im Memorandum ist aber auch die Rede von wiederholten Kontakten zum Umfeld von Italiens damaligem Premierminister Mario Monti, von Frankreichs damaligem Präsident François Hollande, zu Vertretern des Weltwährungsfonds (IWF) und insbesondere zu dem damaligen EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. "Wir haben auch erfahren, was JT (Julia Timoschenko, Anm.) in vertraulichen Gesprächen mit führenden Politikern der EU sagt. Das ist ein Erfolg des Habsburg-Netzwerks*", informierte Manafort seinen Auftraggeber in Kiew. Die politisch motivierte Strafverfolgung gegen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko galt 2012 und 2013 als wesentliches Hindernis für eine Assoziierung der Ukraine mit der Europäischen Union.

"Timoschenko in den Hintergrund rücken"

Manafort verweist aber explizit auch auf eine Veranstaltung im November 2012 in Paris, in deren Rahmen neben dem polnischen Ex-Präsidenten Aleksander Kwaśniewski auch Ex-Kanzler Gusenbauer aufgetreten war. "Jedes Mal, wenn wir JT in den Hintergrund rücken, machen wir Fortschritt und dem Westen bewusst, dass es positive Veränderungen in der Ukraine gibt", heißt es im Memorandum. Laut einer Presseerklärung hatte Gusenbauer seinerzeit betont, dass es falsch sei, die Situation in der Ukraine ausschließlich durch das Prisma der Causa Timoschenko zu sehen. Das Janukowitsch-kritische Wochenmagazin "The Ukrainian Week" hatte in diesem Zusammenhang wenige Tage nach der Pariser Veranstaltung erklärt, dass es sich beim österreichischen Ex-Kanzler um einen Lobbyisten von Janukowitschs "Partei der Regionen" handeln müsse.

Gusenbauer selbst hingegen bestritt nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Manafort im Februar 2018 Lobbying für Janukowitsch und dessen Partei. Er habe sich 2012 und 2013 dafür eingesetzt, dass die Ukraine näher an Europa herangeführt würde und dass die EU mit ihr ein Assoziierungsabkommen abschließe, erklärte der Ex-Kanzler gegenüber der APA. Die Bezeichnung "Hapsburg Group" sei ihm unbekannt gewesen. Ohne konkrete Summen zu nennen, bestätigte der frühere SPÖ-Chef im Februar jedoch, dass diese Ukraine-Aktivitäten "remuneriert" – also vergütet – gewesen seien. (APA, 27.7.2018)