Musik dient nicht nur als Soundtrack des Lebens beziehungsweise eines selbstgewählten Lifestyles, der sich natürlich auch aus Gruppendruck ergeben kann. Sie ist auch ein Zufluchtsort, dient als Anker und spendet Trost in unsicheren Zeiten. Möglicherweise auch deshalb fühlen wir uns genötigt, dieselben Lieder immer und immer wieder zu hören.

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Christian Andreu von der französischen Metalband Gojira erhält im Genre die höchste Haltungswertung.
Foto: AP / Felipe Dana

Wie eine aktuelle, vom Streamingdienst Deezer in Auftrag gegebene großflächige Studie belegt, hört der Mensch zudem ungefähr mit 30 Jahren auf, neue Musik zu hören. Das mag mit den Lebensumständen, etwa der Gründung einer Familie, zu tun haben. Allerdings ist es ebenso möglich, dass dies aus einer gewissen Bequemlichkeit heraus geschieht und auf dem dumpfen Gefühl beruht, alles schon erlebt zu haben. Dabei ist der Wunsch nach dem beruhigenden Effekt des "more of the same" der Entdeckerfreude und Abenteuerlust in gewisser Hinsicht konträr entgegengesetzt.

Laut Studie geben in diesem Alter zumindest drei Viertel der in Deutschland Befragten an, sich in ihrem Musikgeschmack festgefahren zu fühlen. Mehr als 30 Prozent bekannten überhaupt, keine neuen Musikrichtungen mehr auszuprobieren und bei ihrem Lieblingsgenre zu bleiben.

In Österreich dürften die Ergebnisse ähnlich ausfallen. In Zeiten des Niedergangs physischer Tonträgerverkäufe und einem Umsatzplus von 86 Prozent bei Streamingdiensten im Jahr 2017 bleiben deshalb auch im konservativen Absatzmarkt eher konservative Stile als Geschäftsgrundlage übrig. In Österreich wurden im Vorjahr 145,4 Millionen Euro für Musik ausgegeben. Neben Helene Fischer als Retterin des Marktes sorgt neben Schlager, Volksmusik und Klassik vor allem Heavy Metal für Beständigkeit bei physischen Tonträgern.

Manowar und "Die For Metal".
arkantossonne

Genaue Zahlen lassen sich bei Metal kaum eruieren. Mit sieben Prozent Marktanteil sorgt harte Musik allerdings abseits jedweder größeren medialen Wahrnehmung und Moden für beständige Absätze. Natürlich tauchen immer wieder kleinteilige Nischenstile wie der in Zeitlupe ablaufende "Aquatic Doom Metal" oder der lustige "Depressive Death Metal" auf. Es existieren auch gut durchdeklinierte Konzeptalben über Moby Dick, das drogeninduzierte Reisen in ferne Welten, wichtige historische Schlachten wie in Issos, Waterloo oder Gettysburg, den Auspuffwechsel bei einer Viertaktmaschine oder musikalische Anfragen nach Mitfahrgelegenheiten zum Teufel – oder wenigstens bis ans Ende der Straße. Im Großen und Ganzen verzeichnet man allerdings kaum einen Willen zu kontinuierlicher Weiterentwicklung und Veränderung.

Stilwechsel nicht gewünscht

Die Fans pilgern sozusagen nibelungentreu in die Konzerte und Plattengeschäfte, solange eine Band – um Gottes Willen – keinen Stilwechsel vollzieht. Ein radikaler Stilwechsel, etwa von heidnischem Kirchen-Anzünder-Metal zu mittelalterlicher skandinavischer Hirtenmusik ist noch selten jemandem bekommen.

Seit Mitte der 1980er-Jahre existiert in diesem Zusammenhang also Metal als wertkonservative beziehungsweise fundamentalistische Angelegenheit. Betrachtenswert hier auch der dem Ethos des Handwerkertums entliehene Begriff des "True Metal", der die Jünger auf Kurs halten soll. Geprägt von der definitiv nicht von Einflüssen der Moderne und jüngeren zivilisatorischen Errungenschaften beschädigten US-Band Manowar ("Death to false metal!") setzt man auf die guten alten Zeiten und angesichts aktueller Bedrohungen im Leben auf den sicheren Rückzug in "safe spaces" für Männer, wie sie heute Gott sei Dank nicht mehr als Standardausführung gebaut werden.

Bloß nicht nachlassen: Judas Priest mit "No Surrender".
JudasPriestVEVO

Man wird sich davon etwa auch in Wien bei den britischen Heavy-Metal-Veteranen Judas Priest oder deren Vorprogramm, den deutschen True-Metallern Accept überzeugen können: Wahrer Metal bedeutet nicht nur Handwerk mit goldenem Boden. Er bedeutet auch: Stillstand ist besser als Veränderung. (Christian Schachinger, 28.7.2018)