Ein Anhänger des Oppositionsführers Soumaïla Cissé nimmt gut gelaunt an einem Wahlkampfauftritt seines Kandidaten in Mopti teil.

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Stimmauszählung in Bamako.

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Plötzlich wird es unerträglich laut in Bamakos Stadtteil Badalabougou, der direkt am Niger-Fluss liegt. Aus den krachenden Lautsprechern plärrt Musik. Immer wieder wird ein Name gerufen, den aber niemand verstehen kann. Doch die jungen Leute, die sich um das Auto mit den Boxen auf dem Dach scharen, stört das nicht. Im Wahlkampf gilt es um jeden Preis aufzufallen. Das Amt des malischen Präsidenten ist schließlich so heiß umkämpft, dass gleich 24 Bewerber – darunter nur eine Frau – in Koulouba, den Amtssitz des Staatschefs, einziehen wollen.

Die Wahl fand am am Sonntag.begleitet von gewaltsamen Zwischenfällen statt: Unbekannte beschossen den Stützpunkt der Uno-Blauhelmmission MINUSMA in Aguelhok mit 10 Mörsergranaten. Eine davon sei in der Nähe eines Wahllokales explodiert, es habe keine Opfer gegeben, teilte ein Uno-Vertreter mit. Aus mehreren Bezirken vom allem im unruhigen Norden und Zentrum Malis kamen Berichte über bewaffnete Angriffe auf Stimmbüros.

Am stärksten präsent ist Amtsinhaber Ibrahim Boubacar Keïta (IBK), der nach dem Wahlsieg 2013 auf seine Wiederwahl hofft. Die Plakate präsentieren den 73-Jährigen als den großen Mann, der Mali vorangetrieben hat. Er ist zwischen Kayes, Kidal und Sikasso in allen größeren Städten aufgetreten und verkauft die vergangenen fünf Jahre als Erfolgsgeschichte. Vor geladenen Gästen, die im neuen Sheraton-Hotel seine Hochglanzbroschüre auf dem Schoß liegen haben, spricht er über seine Reise nach Kidal und Timbuktu.

Schlechte Wirtschaftslage

Damit will er betonen, dass der Norden wieder sicher geworden ist. "Die Situation von heute hat nichts mehr mit der vor fünf Jahren zu tun. Sie ist überwunden worden", sagt er. Dennoch bleibt selbst ein höflicher Applaus aus.

Auch auf den Straßen hat IBK längst an Popularität eingebüßt. Das hat auch mit der schlechten Wirtschaftslage zu tun. Das knapp 18 Millionen Einwohner zählende Land liegt auf Platz 175 von 188 im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen (UN). Nach Prognosen der Weltbank wird das Bruttoinlandsprodukt, das aktuell bei einer Wachstumsrate von 4,9 Prozent liegt, in Zukunft wieder sinken. Sogar die religiösen Meinungsführer – einflussreiche Imame, die wichtige Unterstützer sind – hat IBK verloren.

Franzosen vertrieben Islamisten

Kein anderes Land der Region ist allerdings in den vergangenen Jahren so gebeutelt worden. Ende 2011 besetzten Tuareg den Norden und forderten die Spaltung des Riesenstaates. Im März folgten ein Staatsstreich und die Besetzung durch islamistische Gruppierungen. Im Jänner 2013 trieb die französische Mission Serval die Islamisten in die Wüste. Es wurde als ein großer Erfolg gefeiert, und in Mali sollte die Übergangsregierung so schnell wie möglich abgelöst werden. Die Rückkehr zur Normalität trauten die Wähler IBK am ehesten zu.

Heute wird im Norden, aber auch in der internationalen Gemeinschaft darüber diskutiert, wie viele Wahllokale überhaupt öffnen können. Denn trotz verschiedener Stabilisierungsmissionen – allein die Minusma der Uno ist mit knapp 13.300 Soldaten vor Ort – gilt der Norden als unsicherer als noch 2013. Martin Nadon, Direktor des Bereichs Wahlen bei der Minusma, will sich auf diese Spekulationen nicht einlassen: "Weder 2013 noch 2016 ist es gelungen, alle Wahllokale zu öffnen. 90 Prozent waren aber geöffnet."

Andere Beobachter finden deutlichere Worte. Dazu gehört IBKs Mitbewerber, der Bürgermeister der südöstlichen Provinzhauptstadt Sikasso. "Die Konfliktlinie hat sich in Richtung Süden verschoben", kritisiert Kalfa Sanogo. Tatsächlich ist in Zentralmali ab 2015 ein weiterer Konflikt hinzugekommen. Dort bekämpfen sich Dogon und Fulani, die längst ihre Milizen gegründet haben. Es geht um den Zugang zu Land, aber vor allem zu Macht. Die Querverbindungen zu Islamisten im Norden sind längst bekannt. In Bamako ist das allerdings lange ignoriert worden.

Menschen möchten wählen

Einer bleibt dennoch zuversichtlich, der Politikwissenschafter Naffet Keïta. Vor zwei Wochen ist er von Forschungsarbeiten aus dem Norden zurückgekehrt. "Ich war in Kidal. Es stimmt nicht, dass es dort keinerlei Sicherheit gibt. Mitunter habe ich mich dort sicherer gefühlt als in Bamako." Auch Politikverdrossenheit habe er nicht verspürt: "Die Wahl ist das beherrschende Thema. Die Menschen wollen wählen."

Dafür sind jedoch die Wählerkarten notwendig, deren Ausgabe schleppend verläuft. Mittlerweile heißt es, dass 69 Prozent der Karten ausgegeben sind. Unstimmigkeiten gibt es auch über die Wählerzahlen. Die Regierung nennt auf ihrer Website 8,4 Millionen, internationale Beobachter aber nur gut acht Millionen. Anhänger von Soumaïla Cissé, der als aussichtsreichster Oppositionskandidat gehandelt wird, kritisierten vergangene Woche, dass es mehr als 1,2 Millionen falsche Wählerstimmen geben könnte.

Ersten Ergebnisse werden 48 Stunden nach Schließung der Wahllokale erwartet, ein amtliches Ergebnis soll am 3. August vorliegen. Schafft am kein Kandidat die absolute Mehrheit, kommt es am 12. August zu einer Stichwahl. Gelingt sowohl IBK als auch Cissé der Einzug, dann ist dies eine Neuauflage von 2013. (red, Katrin Gänsler, 29.7.2018)