Kurz begrüßte Theresa May am Nachmittag. sie brachte eine Umfrage mit, die die Zerrissenheit der Briten in Politik und Gesellschaft deutlich macht.

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Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa war Gast von Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

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Auch Tschechiens Premier Andrej Babis (Mitte) und Estlands Premier Jüri Ratas waren Gäste von Kanzler Kurz.

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Gäbe es die Salzburger Festspiele nicht, dann müsste Sebastian Kurz sie erfinden lassen – kaum ein Event wäre besser geeignet, um als Bundeskanzler und amtierender EU-Ratspräsident den international versierten Gastgeber für das wenn schon nicht vereinigte, so doch versammelte Europa zu spielen.

Nur wenige Stunden vor der gemeinsam besuchten Premiere von Mozarts "Zauberflöte" standen für Kurz und Außenministerin Karin Kneissl bilaterale Arbeitsgespräche auf dem Programm, so mit dem tschechischen Amtskollegen Andrej Babiš und dem estnischen Premier Jüri Ratas. Mit beiden sprach Kurz unter anderem über das EU-Budget, Migration und die Westbalkan-Strategie. Estland und Bulgarien waren Österreichs Vorgänger als EU-Ratspräsidenten im zweiten Halbjahr 2017 und im ersten Semester 2018.

Gemeinsam mit Österreich bilden sie die aktuelle "Trio- bzw. Team-Präsidentschaft", in der jeweils drei aufeinanderfolgende Ratspräsidenten ein "Achtzehnmonatsprogramm" absolvieren. Die Vorgänger stehen dabei dem aktuellen Ratspräsidenten unterstützend zur Seite – und so wird es Bundeskanzler Kurz ab Jänner 2019 auch mit seiner rumänischen Kollegin Viorica Dăncilă halten.

Brexit-Sorgen bei May

Doch während diese Termine vor allem repräsentativer Natur waren, war das Treffen Kurz' mit Premierministerin Theresa May, dem Gast aus London, das politisch wohl vordringlichste am Freitagnachmittag im Hotel Sacher am Salzach-Ufer gegenüber der Altstadt. Bei ihm ging es natürlich um den Brexit, den für Frühjahr 2019 anvisierten EU-Austritt der Briten, von dem noch niemand weiß, wie harmonisch-geregelt oder doch chaotisch-hart er ausfallen wird.

May brachte aus London eine neue Umfrage mit, die die Zerrissenheit der Briten in Politik und Gesellschaft einmal mehr sehr deutlich macht: Eine Mehrheit der Briten spricht sich nämlich aktuell für eine Volksabstimmung über die Bedingungen des Ausstiegs aus. In der am Freitag veröffentlichten Yougov-Erhebung für die "Times" vertreten 42 Prozent der Befragten die Ansicht, es solle ein Referendum über die endgültige Vereinbarung zwischen London und Brüssel geben. 40 Prozent sind dagegen, die restlichen 18 Prozent legten sich vorerst nicht fest.

Mays Soft-Brexit-Kurs – sie übernimmt nun selbst die Federführung bei den Verhandlungen mit Brüssel – bleibt also nicht nur in ihrer eigenen konservativen Partei heftig umstritten. Hardliner bezeichnen sie mittlerweile ziemlich offen als Verräterin am Referendum vom Juni 2016.

"Kirchturm-Nationalismus"

Zu Mittag schon hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der zuvor seinen Staatsgast, Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, mit militärischen Ehren auf dem Residenzplatz empfangen hatte, in seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele die Gründerväter der Europäischen Union beschworen. Diese hätten noch "Leidenschaft, Verantwortung und Augenmaß" bewiesen.

Dass Großbritannien nun die EU verlasse, sei "umso bedauerlicher". Visionäre in der aktuellen EU vermisst Van der Bellen: "Die Vertreter des alten Kirchturm-Nationalismus, deren Weitblick gerade einmal bis zur eigenen Staatsgrenze reicht, spüren Aufwind", warnte der Bundespräsident. "Hüten wir uns vor freiwilliger Verzwergung." Wie die Gäste aus ganz Europa diese Mahnung aufnahmen, ist nicht überliefert. (Gianluca Wallisch, 27.7.2018)