Die Idee von #MeTwo stammt von Ali Can.

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Durch Twitter geistert ein neuer Hashtag: Unter #MeTwo teilen Tausende Menschen ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus. Auch viele Prominente teilen ihre Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus. "Wenn ich im übervollen Zug der einzige Nichtweiße bin, Polizei steigt ein, und der einzige, der seinen Ausweis zeigen muss, bin ich", schreibt etwa der Spiegel-Journalist Hasnain Kazim. Der Autor hat schon zuvor immer wieder Hassmails öffentlich gemacht, die er regelmäßig bekommt. Mittlerweile ist die Debatte auch in Österreich angekommen.

Zusätzlich versuchen Rechtsextremisten und Rassisten das Thema zu vereinnahmen. Sie beklagen, wie arm sie als "Weiße" sind und anonyme Twitter-Accounts tischen teilweise haarsträubende Gesichten auf, die von einschlägigen Gruppierungen und Personen munter verbreitet werden.

Bots für die Meinungsmache

An den anonymen Accounts ist auffällig, dass sich auch Twitter-Nutzer daran beteiligten, die Merkmale sogenannter Social Bots aufweisen. Mit diesen können massenhaft Einträge bei Diensten wie Twitter oder Facebook automatisch generiert werden, die so aussehen wie Posts von menschlichen Nutzern.

Einer dieser anonymen Accounts.
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Bots treten meist anonym, ohne plausiblen Namen und Foto, in Erscheinung, geben immer nur zu bestimmten Themen Kommentare ab und haben keine oder nur sehr wenige Follower. In vielen Fällen posten Bots hierzulande rechte und islamfeindliche Statements und streuen manchmal Falschmeldungen. Werden Bots in den Meinungskampf geschickt, steckt oft das Ziel dahinter, Nutzern zu suggerieren, dass im Netz eine bestimmte Meinung vorherrsche. Es geht darum, Präsenz zu zeigen, Debatten an sich zu reißen, manchmal auch einzuschüchtern.

Ergänzend werden Frauen, die sich zu dem Thema äußern, attackiert – und ihnen eine Vergewaltigung gewünscht.

Nachdem Rassisten das Thema vereinnahmen wollen, reagieren einige Twitter-Nutzer so.

Die Idee von #MeTwo stammt von einem jungen deutschen Mann, der ein neues "Verständnis vom Deutschsein" fordert. "Meine Heimat ist Deutschland, und ich bekenne mich zu unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung", sagte der Autor und Aktivist Ali Can dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Gleichzeitig fühle ich mich aber auch mit den Menschen aus dem türkischen Dorf verbunden, in dem ich geboren wurde." Aus diesem Grund heißt die von ihm ins Leben gerufene Twitter-Aktion gegen Alltagsrassismus auch "MeTwo", also "IchZwei".

Anlass ist die Rassismusdebatte, die Fußballstar Mesut Özil mit seinem Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft ausgelöst hat. Tausende Menschen teilen seit Mittwoch unter dem Schlagwort "MeTwo" auf Twitter ihre Erfahrungen mit Diskriminierung. Der 25-jährige Can beschreibt den Hashtag in einem Video des Onlinemagazins "Perspective Daily" als "eine #MeToo-Debatte für Menschen mit Migrationshintergrund". Unter diesem Schlagwort teilen seit Monaten Millionen von Frauen ihre Erlebnisse mit sexueller Gewalt und Belästigung. Can kam mit seiner Familie 1995 nach Deutschland.

"Naja, vielleicht sollte Ihr Sohn sich nicht so prominent in der Öffentlichkeit äußern."

"Wenn Neonazis deine Mutter bedrohen und die Staatsanwaltschaft ihr sagt: "Naja, vielleicht sollte Ihr Sohn sich nicht so prominent in der Öffentlichkeit äußern."", twitterte Satiriker Shahak Shapira, der in Israel zur Welt kam und immer wieder Opfer von Antisemitismus wird.

Can findet, dass seine Aktion bereits Wirkung zeigt. Dem Redaktionsnetzwerk sagte er: Ganze Menschengruppen würden etwa nach Terroranschlägen mit Argwohn betrachtet. "Davon wissen Menschen, die damit nicht jeden Tag zu kämpfen haben, oft gar nichts. Aus den Reaktionen auf all die #MeTwo-Tweets lässt sich schon jetzt ablesen, dass sich das ändert." Und Özil? "Dass sein Selfie im Vorfeld der Türkeiwahlen politisch ausgelegt werden würde, war abzusehen", findet Can. Verstehen könne er ihn teilweise aber: "Auch ich selbst habe den Eindruck, dass ich nur dann als Deutscher anerkannt werde, solange ich keine Fehler mache." (red, 28.7. 2018)