Für den zweiten Teil der medienwirksamen und fotogenen "Bergauf"-Tour wählte der Bundeskanzlers Sebastian Kurz am Sonntag eine Strecke auf den niederösterreichischen Schneeberg. Das Echo fiel diesmal deutlich bescheidener aus als vor zwei Wochen, als der Kanzler in der Steiermark wanderte. Kein Journalist teilte auf seinen Social-Media-Kanälen Selfies mit dem Kanzler, große Wanderreportagen waren auch rar. Das liegt gewiss auch daran, dass Wiederholung auch im innenpolitischen Sommerloch nicht gern gesehen wird.

Bissiges auf heute.at

Aus dem üblichen Rahmen der Innenpolitik-Berichterstattung fiel die Reportage von Christian Nusser auf heute.at: Unter "'Ned schiach': Mikl ging Kanzler Kurz an die Wadln" folgt eine bisweilen recht bissige Wanderkritik: "Wer freilich bei den Aussagen eines Vilimsky oder Waldhäusl nicht ins Hyperventilieren kommt, schafft wohl auch eine Alpenüberquerung ohne zweite Luft", heißt es etwa über die Kurz'sche Kondition. "Jeden Augenblick rechnet man damit, dass Andreas Gabalier aus dem Wald tritt, mit einem Korb Steinpilze in der Hand und die Holzscheitl-Strophe aus 'Vergiss mein nicht' singt", so beschreibt Nusser die "idyllische" Inszenierung der Wanderung.

Satirisch-bissige Reportage von Christian Nusser auf heute.at.
Foto: heute.at

"Alpen-Femen"

Der "Kurier" wanderte und schrieb auch diesmal mit, wenn auch anders als die Konkurrenz – recht nüchtern und ohne Biss: "Viele Selfies und ein wenig Aufruhr", schreibt Reporter Andreas Puschautz und bebildert seinen Bericht mit dem volksnah lächelnden Kanzler und einer Attac-Aktivistin, die mit ihrer hochgehobeben Schürze gegen den Zwölfstundentag protestierte. Puschautz hat beobachtet, dass wider Erwarten auch über Inhalte geredet wurde. Das habe man auch den "Alpen-Femen", wie er die Attac-Aktivistinnen nennt, zu verdanken. Die Modekritik der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ist dem "Kurier" auch nicht entgangen, ihr Sager über die Beine des Kanzlers – "Seine Wadeln san net so schirch" – wurde im "Kurier" ohne Ironie untergebracht.

Die Berichterstattung der "Kronen Zeitung" ist hingegen ein voller PR-Erfolg für die Aktivistinnen von Attac. In der Wien-Ausgabe ist das Foto, das die Protestierenden selbst geschossen haben, abgedruckt. Die "Krone" nennt die Kanzlerwanderung eine "Wohlfühltour" und zitiert in dem kurzen Text zum Bild die Attac-Aktivisten: "Bergauf geh's mit Sebastian Kurz nur für Reiche und Konzerne, doch für uns Menschen geht's bergab."

Bildgeschichte in der "Kronen Zeitung".
Foto: Kronen Zeitung

"Crash" bei Fellner

Auf oe24.at kommt die Aktivistin Julianna Fehlinger namentlich und mit Zitat vor: "Wir wollen nicht länger zusehen, wie der Bundeskanzler mit unserer Angst spielt", heißt es im Artikel "Aktivistin crasht Kurz-Wandertag". Das Onlineportal der Tageszeitung "Österreich" berichtete auch von der Protestaktion der Jungsozialisten und zitierte aus einer Aussendung der Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend, Julia Herr: "Während Kurz sich hier bergauf in Szene setzt, geht es für die Jugend bergab!"

Foto: oe24.at

Ließ die Tageszeitung "Die Presse" vor einem Monat mit einer großen, mit ironischen Untertönen gespickten Reportage in der Branche aufhorchen, bliebt diesmal in der gedruckten Montagsausgabe die Wanderung unerwähnt. Auf diepresse.com erschien am Morgen nach dem Wandertag ein kurzer Bericht, der beide Protestaktionen erwähnte.

Auf martialische Schlagworte setzte die "Kleine Zeitung" in Titel und Bildunterschrift – "Aktivisten torpedieren Kurz-Wandertag". In der Onlineausgabe wurde aber sowohl der Facebook-Post der Attac-Aktivisten als auch das Werbe-Posting des Bundeskanzlers eingebettet.

"Flexibilisierung" in der "Kleinen Zeitung".

Fotoshow in der "NÖN"

Erwartungsgemäß umfangreich war die Berichterstattung in der Wochenzeitung "Niederösterreichische Nachrichten": Ganze 68 Fotos kann man online unter "1.500 folgen dem Kanzler bergauf" durchklicken. In einem separaten Artikel "Die Partycrasher kamen im türkisen Dirndl" werden die Sprüche der Attac-Aktivisten als "Verbalattacken" beschrieben. (Olivera Stajić, 30.7.2018)