Dirigent Andris Nelsons berückt in Salzburg mit Mahler und Zimmermann.

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Gemeinhin ist der Wahrnehmungsapparat gründlich ausgelastet, so es darum geht, sich Mahlers Zweiter hinzugeben. Auf der orchestralen Reise zum Urlicht bis hin zur instrumental-vokalen Auferstehung begegnet das Ohr praktisch dem Gesamtvokabular des Ausdrückbaren. Mehr emotionale Information ist eigentlich nicht erwünscht. Die Salzburger Festspiele, in ihrem Bemühen, Konzerten quasi moderne Überraschungsfarben hinzuzufügen, sind da anderer Meinung. Im Großen Festspielhaus wird der tönenden Meditation über die letzten Existenzdinge Bernd Alois Zimmermanns Trompetenkonzert Nobody knows de trouble I see vorangestellt.

Walking-bass der Philis

Und eigentlich zu Recht: Basierend auf dem klagenden Spiritual, dessen Melos in diversen Metamorphosen die Werkstruktur durchwandert, ist das Stück ein Beleg kompositorischer Meisterschaft. Es gemahnt an jenen Stil, der in den 1950ern als Third Stream den zunächst nicht mehrheitsfähigen Versuch unternahm, europäische Klassik und Jazz zu verschmelzen. Das Unterfangen gelingt in diesem Stück (aus dem Jahr 1955) jedoch smart.

Da hört man die Wiener Philharmoniker swingend Walking-Bass-Linien zelebrieren. Doch fernab eines plumpen Crossover verschmelzen hier bluesige Melodik und Bigband-artige Ausbrüche mit Elementen der klassischen Moderne zum komplexen Energiefeld. Darin meistert Trompeter Håkan Hardenberger einen elegisch-klagenden Part mit uneiteler Präsenz.

Mahlers Todeszone

Auch Dirigent Andris Nelsons liegt das Stück, er ist ja ohnedies ein Energetiker. Mitunter sucht der Lette im Überschwang den großen Effekt unter Opferung von Ausgewogenheit. Hier jedoch nicht. Auch in Mahlers symphonischer Todeszone fügt sich alles maßvoll zusammen, die Zweite prägen Ausgewogenheit und emotionale Dichte. Der Chor des Bayerischen Rundfunks verbreitet zudem klangliche Intimität, respektabel die Solistinnen (Lucy Crowe und Ekaterina Gubanova). Und überwältigend die harmonischen Wellenexzesse der monumentalen Meditation. (Ljubisa Tosic, 30.7.2018)