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Der deutsche Autokonzern VW dürfte trotz Dieselskandals Rekordgewinne eingefahren haben.

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Hamburg/Wolfsburg – Wenn Herbert Diess am Mittwoch erstmals in seinem Amt als Konzernchef von Volkswagen den Quartalsgewinn präsentiert, kann er bereits glänzen. Analysten gehen davon aus, dass der Konzern mit seinen zwölf Marken trotz der nach wie vor schwelenden Dieselkrise einen Rekordgewinn eingefahren hat. Sie verweisen auf das höchste Auslieferungsplus in der Firmengeschichte.

Wie bereits bekannt ist, hat Volkswagen den Absatz in den ersten sechs Monaten weltweit um sieben Prozent auf 5,5 Millionen Fahrzeuge gesteigert. Für das zweite Quartal erwarten Experten im Schnitt vor Sondereinflüssen einen Betriebsgewinn von knapp fünf Milliarden Euro. Davon wird die von der Staatsanwaltschaft wegen der Dieselaffäre verhängte Strafe von einer Milliarde Euro abgezogen. Auch könnten weitere Rückstellungen für die Dieselmanipulationen verbucht werden, vermuten Konzernkenner.

Das gute Ergebnis will der Österreicher Diess nutzen, um sich bei einer Pressekonferenz in Wolfsburg den Fragen der Journalisten zu stellen – ein Novum. Dabei dürfte es vor allem um die Personalien der vergangenen Wochen und die Strategie gehen. Der einstige BMW-Manager Diess, der seit April an der Spitze des weltgrößten Autobauers steht und davor die Hauptmarke VW leitete, will den Tanker Volkswagen wendiger machen.

Herbert Diess kann diese Woche möglicherweise Rekordgewinne präsentieren.
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Dazu hat er die zwölf Marken des Dax-Konzerns in sechs Geschäftsfelder gegliedert, wobei die Pkw-Marken in den Segmenten Massenmarkt, Premium und Luxus gebündelt wurden. Dadurch sollen Doppelarbeiten vermieden werden.

Schlummernde Kräfte mobilisieren

Den früheren BMW-Spitzenmanager Markus Duesmann, den er aus seiner Zeit beim Münchner Autobauer kennt, lotste Diess jüngst ebenfalls zu Volkswagen. Der 49-Jährige soll in den VW-Vorstand einrücken, sobald sein bisheriger Arbeitgeber ihn ziehen lässt. Er könnte den bisherigen Audi-Chef Rupert Stadler ablösen, der wegen des Dieselskandals in Untersuchungshaft sitzt und beurlaubt ist.

Experten rechnen damit, dass Volkswagen durch den Umbau schlummernde Kräfte freisetzen kann und der Gewinn steigt. Insider halten schon in wenigen Jahren einen Betriebsgewinn von mehr als 25 Mrd. Euro für möglich. Im vergangenen Jahr lag das Ergebnis vor Sondereinflüssen bei 17 Mrd. Euro.

Trotz des Rekordquartals wird Diess vermutlich vor zu viel Euphorie warnen. Denn das vergleichsweise hohe Absatzplus in den vorangegangenen Monaten liegt nach Meinung von Analysten auch an Vorzieheffekten wegen des neuen Abgastestzyklus WLTP. Schon im August könnte der Konzern ihrer Meinung nach wegen der Umstellung aus dem Tritt geraten. "Das größte Volumen- und Ergebnisrisiko kommt aus der Umstellung auf den WLTP-Testzyklus", sagte Diess unlängst vor Topmanagern des Konzerns.

Verzögerter Fahrzeugbau

VW hat bereits angekündigt, dass die Bänder nach den Werksferien zeitweise stillstehen werden und die Arbeit im Stammwerk an ein bis zwei Tagen in der Woche ruht. Dazu ist VW gezwungen, weil man wegen der Vielzahl von mehr als 260 Motor- und Getriebevarianten sowie Ausstattungen der Modelle mit den vorgeschriebenen Tests nicht nachkommt. Nach den EU-Regeln dürfen Neuwagen ab Anfang September nur noch verkauft werden, wenn sie WLTP durchlaufen haben. Bei Volkswagen könnten aufgrund der Testverfahren mehr als 200.000 Fahrzeuge später als geplant gebaut werden. Konkurrent Daimler hat die Umstellung auf das Abgasmessverfahren bereits als Grund genannt, warum der Absatz heuer voraussichtlich stagnieren wird.

Volkswagen ist zuversichtlich, die Delle wettzumachen. Ob das noch heuer gilt, steht allerdings in den Sternen. Unternehmenskenner rechnen dennoch damit, dass Diess die Prognose für das laufende Jahr bekräftigen wird. Demnach sollen die Auslieferungen 2018 moderat steigen, der Umsatz um bis zu fünf Prozent zulegen und die operative Rendite zwischen 6,5 und 7,5 Prozent liegen. Zu Jahresbeginn hatten Analysten den Ausblick angesichts der guten Zahlen als wenig ambitioniert kritisiert. Nun könnte sich herausstellen, dass der Vorstand nicht ohne Grund vorsichtig war.

Verdacht auf Steuervergehen bei Ex-Chef

Gegen den früheren Volkswagen-Chef Martin Winterkorn gibt es nach Angaben der Braunschweiger Staatsanwaltschaft Hinweise auf ein mögliches Steuervergehen. Aus den Ermittlungen wegen Betrugsverdachts im Zusammenhang mit der Manipulation von Dieselabgasen hätten sich Tatsachen ergeben, die auf ein mögliches Steuervergehen hindeuten könnten, teilte die Behörde am Montag mit. "Es erfolgte daher eine Abgabe an die zuständige Steuerbehörde." In diesem Fall sei dies das Bundeszentralamt für Steuern. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sei damit nicht mehr befasst.

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Bei Martin Winterkorn besteht der Verdacht auf Steuervergehen.
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Die Umstände eines möglichen Transfers von Vermögen könnten jedoch eine Rolle spielen bei der Frage, ob und wann Winterkorn Kenntnis von den Dieselmanipulationen erhalten und gegebenenfalls darauf reagiert habe. Daher gehörten die erlangten Kenntnisse zu den Akten. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft kritisierte, dass im Zuge der Akteneinsicht für Anwälte der Beschuldigten im Dieselskandal Details aus den Ermittlungen an Medien weitergereicht worden seien. Dies laufe dem Grundsatz zuwider, dass Ermittlungsergebnisse nicht öffentlich seien. Zudem würden die persönlichen Rechte der Beteiligten "mit dieser Vorgehensweise Unbekannter mit Füßen getreten". Dies gelte umso mehr für Personen der Zeitgeschichte, die wie Winterkorn die Nennung ihres Namens in den Medien hinnehmen müssten.

Die Zeitung "Bild am Sonntag" hatte berichtet, die Staatsanwaltschaft ermittele gegen Winterkorn wegen des Verdachts auf Steuerstraftaten. Dabei gehe es unter anderem um Überweisungen in den vergangenen beiden Jahren von insgesamt zehn Millionen Euro auf Schweizer Konten. Winterkorns Anwalt drohte Medienberichten zufolge der Staatsanwaltschaft daraufhin mit einer Strafanzeige. Am Montag reagierte der Anwalt nicht auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters.

Winterkorn war im September 2015 als Konzernchef von Volkswagen zurückgetreten, nachdem der Dieselskandal in den USA aufgeflogen war, und hatte sich auch aus allen anderen Ämtern in dem Unternehmen zurückgezogen. Er hat stets bestritten, von der Manipulation gewusst zu haben. Gegen ihn und weitere 38 Beschuldigte ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Betrugsverdachts. (APA/Reuters, 30.7.2018)