Leibwächter Benalla (links) bringt Macron in die Bredouille.


Foto: AFP / Charly Triballeau

Alles schien perfekt, damit die Macrons zwei verdiente Ferienwochen an der Côte d'Azur verbringen konnten. Der Präsident hatte die schwierige Eisenbahn-Reform durchgebracht und profitierte vom französischen Triumph bei der Fußball-WM. Doch dann explodierte die Benalla-Affäre, benannt nach dem Élysée-Sicherheitsmann, der im Quartier Latin Demonstranten prügelte, wie "Le Monde" vor ein paar Tagen in einem Video publikmachte.

Seither ist in Paris Schluss mit der Sommerruhe. Täglich werden neue Details bekannt – etwa, dass Benalla an der fraglichen Erste-Mai-Demo neben einer Polizeibinde auch eine Dienstwaffe trug, ohne dazu ermächtigt gewesen zu sein. Auch mischte er sich in Sicherheitsdispositive – zuletzt etwa bei der WM-Feier in Paris – ein und kommandierte uniformierte Polizisten herum, als hätte er die Befugnis dazu. Nach seinen Boxeinlagen wurde er zwei Wochen suspendiert, allerdings ohne Gehaltseinbußen; noch dazu erhielt Macrons Leibwächter eine Dienstwohnung, in der Expräsident François Mitterrand früher seine Mätresse untergebracht hatte.

Vertuschung

Nach der "Le Monde"-Enthüllung leitete das Élysée rasch ein Entlassungsverfahren gegen Benalla ein; zugleich versuchte es die Affäre aber auf verschiedene Weise zu vertuschen. Zu spät: Die Medien und Politiker werfen Macron vor, eine Art Schattenpolizei zu führen und die überwunden geglaubte Élysée-Praxis der "Barbouzes" (Geheimagenten) fortzusetzen. Vergleiche werden gezogen zum berüchtigten Service d'action civique (SAC) des früheren Staatschefs Charles de Gaulle, zu den Abhörpraktiken unter Mitterrand, zu Sarkozys Dunkelmännern mit Bargeldkoffer aus Libyen oder zum "schwarzen Kabinett" von François Hollande.

Die Pariser Presse spricht nun von einer "Staatsaffäre", Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon gar von "Watergate". Das scheint doch etwas viel der Ehre für den 26-jährigen Benalla, der aus einer marokkanischen Einwandererfamilie bis in die innersten Machtzirkel von Paris katapultiert worden war und buchstäblich auf eigene Faust handelte. Innenminister Gérard Collomb erklärte jedenfalls bei einer Anhörung, er habe Benalla für einen schlichten Polizeioffizier gehalten, wenn er ihn bei Reisen direkt hinter dem Präsidenten erblickt habe.

Der von der Rechts- und Linksopposition fast über Nacht eingesetzte Benalla-Ausschuss war ansonsten nicht sehr ergiebig. Die Macron-Partei République en Marche (LRM) ließ ihn so lange ins Leere laufen, bis ihn die Konservativen wie die Linken verließen. Dafür reichten sie getrennt zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung ein. Am Dienstag wird darüber abgestimmt. Über den Ausgang machen sich die Antragsteller keine Illusionen: Solange LRM die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung hält, haben sie keine Erfolgschancen.

Macron ist "stolz"

Macron selbst, um den sich alles dreht, reagierte, wie man es mittlerweile von ihm kennt: Fast trotzig meinte er, er sei "stolz", Benalla eingestellt zu haben. Zu seinen Kritikern fügte er an: "Wenn sie einen Verantwortlichen suchen, dann gibt es nur einen, und das bin ich."

Dummerweise ist der einzige Verantwortliche auch der Einzige, der in Frankreich über dem Gesetz steht. In ihren Misstrauensanträgen monieren die Oppositionsparteien, dass der Präsident dem Parlament keine Rechenschaft schulde und damit volle Straffreiheit genieße. Dabei sei es in einer Demokratie unzulässig, dass die persönlichen Sicherheitsbeamten des Präsidenten gewalttätig vorgingen und dabei nicht einmal eine offizielle Polizeikompetenz hätten.(Stefan Brändle aus Paris, 30.7.2018)