Millionen von Afrikanern träumen von einer Zukunft in Europa.

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Die Geschichte wiederholt sich: In einem südeuropäischen Land verspricht eine neue Mitte-links-Regierung eine Wende hin zu einer humanen Asylpolitik, öffnet ihre Häfen für Schiffe und rettet schiffbrüchige Flüchtlinge. Die Zahl der Überfahrten steigt rasant, und dies mit immer schlechteren Booten. Während Woche für Woche tausende Asylwerber ins Land kommen, ertrinken im Meer mehr Migranten denn je.

So geschah es in Italien, als 2013 die damals neue Linksregierung die Operation Mare Nostrum startete. Im Zeitraffer erlebt das derzeit Spanien, seit die Regierung von Premier Pedro Sánchez mit der Aufnahme des Rettungsschiffs Aquarius signalisiert hat, dass ihre Häfen offen sind. Die Schlepper in Nordafrika zögerten nicht lange und setzen seither täglich immer mehr Migranten in dünne Boote fast ohne Sprit – in der Erwartung, dass sie gerettet werden. Die südspanischen Städte sind mit den Ankünften überfordert, die Regierung in Madrid ruft Europa zu Hilfe.

In Italien brachte der Flüchtlingsstrom im Vorjahr eine rechtspopulistische Regierung an die Macht, die jetzt ihre Häfen schließt und eine radikale Antiflüchtlingspolitik verfolgt. Auch Spanien droht dieses Schicksal, wenn es nicht rasch seine Politik ändert. Die erschreckenden Bilder des Angriffs von Migranten auf den Grenzzaun der Enklave Ceuta dürften dazu beitragen, die bisher tolerante Stimmung gegenüber Flüchtlingen kippen zu lassen.

Hausgemachte Krise

Diese Flüchtlingskrise wird Spanien nicht aufgezwungen, sie ist hausgemacht. Millionen von Afrikanern träumen von einer Zukunft in Europa, aber sie begeben sich nur in die Hand von Schleppern, wenn eine realistische Chance existiert, den Kontinent zu erreichen. Im Juni einigte man sich beim EU-Gipfel auf einen Kurs, der genau das verhindern soll. Spanien schert nun – aus hehren, aber politisch unbedachten Motiven – aus dieser Front aus. Damit ist niemandem gedient, am wenigsten jenen afrikanischen Familien, die ihre knappen Ersparnisse Schleppern zustecken, damit es einer aus ihrer Mitte nach Europa schafft, statt in die Bildung ihrer Kinder zu investieren.

Die anderen EU-Staaten können hier nicht helfen – schon gar nicht, indem sie Asylwerber aus Spanien aufnehmen. Denn wenn es sich herumspricht, dass man per Boot aus Marokko mittelfristig bis nach Deutschland und Frankreich gelangen kann, würde der Zustrom bloß weiterwachsen. Der vielbeachtete Vorschlag des Türkei-Experten Gerald Knaus, EU-Aufnahmezentren in Südspanien einzurichten, um dort Asylanträge zu prüfen, setzt wiederum voraus, dass alle Abgewiesenen rasch in ihre Ursprungsländer zurückgebracht werden können. Das ist unrealistisch. Ohne konsequente Rückführungen aber würden die Aufnahmelager bald überquellen, weil sie als Tor nach Europa gesehen werden und weitere Anreize für die Überfahrt bieten.

Kaum einer von jenen, die heute in Südspanien landen, flieht vor politischer Verfolgung. Das Asylrecht ist das falsche Instrument, um dieser Lage Herr zu werden. Spanien muss zu dem zurückkehren, was jahrelang gut funktioniert hat: Marokko dafür zu bezahlen, dass es die Schlepper an seinen Küsten stoppt. Diese Praxis, die die Basis des EU-Türkei-Deals bildet, sollte auch auf Algerien ausgedehnt werden.

Knaus hat recht: Menschen sollen nicht im Mittelmeer ertrinken, und Europa muss für politisch Verfolgte offen sein. Was Spaniens Regierung tut, bringt keines dieser Ziele näher. (Eric Frey, 30.7.2018)