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Durch die Aktion 20.000 haben ältere Arbeitnehmer einen geförderten Job bekommen. War die Einstellung des Programms ein Fehler?

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Brauchen ältere Arbeitslose umfangreiche Förderung, oder erledigen sich die Probleme dieser Gruppe am Jobmarkt von selbst, wenn die Konjunktur anzieht: Zwischen der türkis-blauen Regierung und der SPÖ tobt seit Monaten ein Streit rund um diese Frage.

Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) hatte im Juni 2017 mit der Aktion 20.000 sein wohl wichtigstes Prestigeprojekt ins Leben gerufen. Menschen über 50, die länger als ein Jahr keinen Job finden konnten, sollten einen vollständig staatlich geförderten Arbeitsplatz bekommen. Voraussetzung dafür war, dass eine gemeinnützige Tätigkeit angenommen wurde.

Aktion gestoppt

Nur wenige Monate nachdem das Projekt im Herbst angelaufen war, drückte die neue ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung schon die Stopptaste. Angesichts der deutlichen wirtschaftlichen Erholung sei eine Fortführung der Aktion nicht notwendig, hieß es damals.

Doch wie sehr konnten ältere Arbeitssuchende vom Aufschwung der vergangenen Monate profitieren? DER STANDARD ist dieser Frage anhand von Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) nachgegangen. Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als hätte die türkis-blaue Regierung mit ihrer Vorhersage recht behalten.

Die Zahl der Arbeitslosen ist zwar für österreichische Verhältnisse nach wie vor hoch. Als Folge der Wirtschaftskrise ist die Arbeitslosigkeit fünf Jahre in Folge bis inklusive 2016 gestiegen. Doch inzwischen hat eine Trendwende eingesetzt. Seit eineinhalb Jahren läuft es wirtschaftlich richtig gut. Das Wachstum hat angezogen. Als Folge davon ist die Zahl der Arbeitslosen stark gesunken. Im Juni 2018 waren um 9,6 Prozent weniger Arbeitslose beim AMS gemeldet als noch zwölf Monate davor. Die Beschäftigung ist auf den höchsten Stand seit 1945 gestiegen.

Ältere Arbeitslose, die Babyboomer aus den 1960er-Jahren, profitieren nicht so vom Boom wie ihre jüngeren Kollegen.
Quelle: AMS/DER STANDARD

Arbeitslosigkeit sank weniger

Doch von der Erholung profitieren nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Bei älteren Menschen kam die Erholung in deutlich geringerem Umfang an. So ist die Arbeitslosenquote bei Personen bis 34 Jahren in den vergangenen zwölf Monaten um 13,2 Prozent gesunken. In der Gruppe der 35- bis 54-Jährigen betrug der Rückgang 11,4 Prozent. Bei den 55-Jährigen lag der Rückgang bei nur 8,9 Prozent. Doch selbst ein guter Teil dieses Rückganges ist nicht der guten Konjunktur geschuldet, sondern den Überbleibseln der Aktion 20.000.

Das Programm wurde nicht völlig eingestellt. Personen, die bereits eine Zusage bekommen hatten, durften ihren geförderten Arbeitsplatz noch annehmen. Die meisten dieser 3.814 Menschen kamen bei Gemeinden unter, etwa als Hilfskräfte in Kindergärten oder im Bürgerservice. 477 Personen haben ihre Beschäftigung wieder aufgegeben, die anderen sind noch dabei.

"Typische" Entwicklung

Rechnet man nun die Zahl der über 55-Jährigen heraus, die nur einen geförderten Job über die Aktion 20.000 bekommen haben, ist die Arbeitslosenquote in dieser Gruppe gar nur um 5,9 Prozent gesunken. Absolut betrachtet hat sich die Zahl der Arbeitslosen über 55 gar nicht verändert.

Anhand der Statistiken lässt sich zeigen, wo sich die Probleme konzentrieren. Bei den über 50-Jährigen ist die Arbeitslosigkeit tatsächlich deutlich gesunken. Diese Gruppe profitiert also wie von der Regierung prophezeit vom Aufschwung. Bei den über 55-Jährigen ist das etwas anders – hier verfestigen sich Probleme. Das sei eine "typische Entwicklung", sagt Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Jüngere Menschen tun sich selbst bei guter Konjunktur leichter, einen Arbeitsplatz zu finden, als ältere. Mahringer schätzt auf Basis von Erfahrungswerten, dass gut 90 Prozent der über 55-Jährigen, die über die Aktion 20.000 untergekommen sind, andernfalls noch heute arbeitslos wären.

Diskriminierung gegen Ältere

Die Gruppe der älteren Arbeitnehmer kämpft mit mehreren Problemen, sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien. Neben vermehrten gesundheitlichen Problemen wären Menschen über 55 häufig Diskriminierung ausgesetzt. "Viele Unternehmer sind es nicht gewohnt, dass Ältere den Job bekommen. Ein neuer Arbeitsplatz ist in ihren Köpfen etwas, das für Junge reserviert ist." Hinzu kommt, dass die älteren Beschäftigten oft nicht über die nachgefragten Qualifikationen verfügen. Die Zuwanderung aus Osteuropa hat die Konkurrenzsituation zusätzlich verschärft.

Heißt das, die Aktion 20.000 hätte weitergeführt werden sollen? Hofer vom IHS sagt, dass das Programm als arbeitsmarktpolitisches Instrument nicht wirklich getaugt hat. Selbst wer im Zuge der Aktion einen geförderten Job bekommt, werde sich im Regelfall extrem schwer damit tun, am regulären Arbeitsmarkt unterzukommen. Als sozialpolitischer Maßnahme habe er dem Programm schon mehr abgewinnen können. Mahringer hätte dafür plädiert, das Programm so lange weiterlaufen zu lassen, bis es gesicherte Erkenntnisse über seine Wirkung gibt. (András Szigetvari, 31.7.2018)