Berge von Geschirr bringen Spitzenköche in der Regel nicht aus der Ruhe. Stehen die Kochprofis aber vor einem richtigen Berg, wirken sie etwas nervös. Kollektive Erleichterung machte sich aber in den Gesichtern unzähliger Haubenköche breit, als sie erfuhren, dass sie die Streif nicht hinauf-, sondern hinunterwandern werden.

An der Talstation der Hahnenkammbahn in Kitzbühel versammelten sich um die 170 Haubenköche, um in Gondeln den Berg zu erklimmen. Auf rund 1.600 Metern Höhe wird die Luft zwar dünn, der Gesprächsstoff scheint den Küchenchefs aber nicht auszugehen. Kein Wunder, ist es doch eine Seltenheit, dass so viele Kollegen aus Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz bei einem gemeinsamen Termin zusammenkommen.

Hier beim Starthaus der Streif begann die kulinarische Wanderung.
Foto: David Pan

Auch wenn die fröhliche Köchezusammenführung auf dem Berg mehr an einen Schulausflug oder an die Fernsehwanderung mit Hansi Hinterseer erinnert – hinter dem Event steht eine fixe Idee: Haubenköche, Produzenten und Partner sollen sich in ungezwungener Atmosphäre treffen und austauschen. Fachsimpeln ist hier ausdrücklich erwünscht. Erdacht wurde die erste Haubenköchewanderung von Martina und Karl Hohenlohe.

Und wenn die Herausgeber des Restaurantführers "Gault & Millau" rufen, dann lassen offenbar alle Küchenchefs ihre Kochlöffel fallen und reisen ins Gebirge. "Wir sind nicht nur Kritiker, sondern auch Plattform und Bühne für Köche, die sich austauschen und weiterentwickeln möchten", sagt Karl Hohenlohe.

Netzwerken und vermarkten

Wie wichtig Austausch und Selbstvermarktung für Spitzenköche sind, zeigen die unzähligen Veranstaltungen, für die sie teilweise durch die ganze Welt reisen. Längst reicht es nicht mehr aus, nur gut zu kochen. Was nützt einem Restaurant der beste Küchenchef, wenn ihn niemand kennt. Vertreter der nordischen Küche wie etwa René Redzepi machen es vor. Sein Restaurant Noma in Kopenhagen ist über Monate ausgebucht, das Interesse internationaler Medien und Gourmets ungebrochen.

Spitzenköche mit Veranstaltern (v. li.): Rudi Obauer, Martina Hohenlohe, Andreas Döllerer, Heinz Reitbauer, Silvio Nickol und Karl Hohenlohe beim Zwischenstopp auf der Seidlalm.
Foto: David Pan

"Es ist mittlerweile normal, dass wir nicht das ganze Jahr in der Küche stehen. Wichtig ist, dass man ein gutes Team hat, auf das man sich verlassen kann", sagt Stephan Zippl vom Restaurant 1908 im Südtiroler Ritten. Auf die Frage "Wer kocht, wenn Sie nicht da sind?" soll der im Jänner verstorbene Küchengroßmeister Paul Bocuse einmal geantwortet haben: "Derselbe, der kocht, wenn ich da bin." Der französische Sternekoch hat schon früh erkannt, dass sich Köche nicht hinter ihrem Herd verstecken dürfen und dass das, was auf dem Teller ist, nur einen kleinen Teil des Essens ausmacht.

Österreichischer Besuch aus Portugal

Hierzulande gibt es eine Reihe von Kochnetzwerken, die in regelmäßigen Abständen kleine und große Events für Gourmets veranstalten. Bei der Haubenköchewanderung geht es aber zum ersten Mal um die Köche selbst. Als Belohnung für den "anstrengenden" Abstieg der Streif haben sich Martina und Karl Hohenlohe sogar etwas Besonderes einfallen lassen: Auf der bekannten Seidlalm, wo die Köche eine Pause einlegten, wurden sie von zwei Kollegen empfangen. Dieter Koschina (Vila Joya) und Hans Neuner (Ocean) sind extra aus Portugal angereist, um die Haubenköche auf dem Berg zu bekochen.

Auf dem Berg kochten unter anderem Hans Neuner und Dieter Koschina. Sie sind eigens aus Portugal angereist.
Foto: David Pan
Serviert wurde auf dem Berg unter anderem Kingfish mit Kürbiskernöl, Sojapüree und Algen sowie Makrele mit Rucolacreme.
Foto: David Pan

Unterstützt wurden sie von Lokalmatador Simon Taxacher (Hotel Rosengarten), der selbst begeisterter Wanderer ist. Für ihn ist der Berg nicht nur ein Ort der Ruhe, sondern, wie für die meisten seiner Kollegen, eine Fundgrube für Essbares. Alpenrosen oder Wipferln beispielsweise lassen sich zu einem köstlichen Sirup verarbeiten, Wacholder ist ein vielseitiges Gewürz für Suppen, Saucen oder Innereiengerichte.

Am Abend wurden die Spitzenköche im Rasmushof von Kitzbühelerinnen mit traditioneller Hausmannskost bekocht.
Foto: David Pan

Als die Köche gestärkt und mit einigen neuen Handykontakten den Abstieg antreten, sind sich alle einig: So etwas müsse man öfter machen. Spätestens in einem Jahr soll wieder gemeinsam gewandert werden. Einige Haubenköche werden aber zumindest bei der Genussmesse von "Gault & Millau" am 8. und 9. September im Wiener Kursalon Hübner wieder zusammenkommen. (Alex Stranig, RONDO, 3.8.2018)

Foto: Kanizaj Marija / Steirereck

Heinz Reitbauer
Steirereck, Wien

STANDARD: Unverzichtbar im Wanderrucksack?

Reitbauer: Auf jeden Fall Wasser, Taschentücher, Pflaster, Fernglas, Nussschnaps (zum Trösten, wenn wir keine Schwammerln finden), Messer, Behälter (wenn wir doch Schwammerln finden), Pilzbuch (wenn wir nicht ganz sicher sind, welche Schwammerln wir gefunden haben).

STANDARD: Liebste Wanderroute in Österreich?

Reitbauer: Hochschwabmassiv, Gurktaler Alpen. Aber es gibt noch so viel zu entdecken.

STANDARD: Kücheninspirationen beim Wandern?

Reitbauer: Ich hole mir viele Inspirationen: die Eleganz, die Natürlichkeit und Veränderlichkeit der Natur. Das ist oft eindrucksvoll ästhetisch.

STANDARD: Produkte, die man nur auf dem Berg findet?

Reitbauer: Zum Beispiel den Alpensäuerling, Kranewitt oder Latschen.

Steirereck im Stadtpark
Am Heumarkt 2A
1030 Wien

Foto: Relais & Châteaux Rosengarten

Simon Taxacher
Taxacher, Kirchberg

STANDARD: Liebste Wanderroute in Österreich?

Taxacher: Am liebsten wandere ich zu Hause in den Kitzbüheler Alpen.

STANDARD: Liebstes Hüttenessen?

Taxacher: Kaspressknödel in der Brennsuppe.

STANDARD: Produkte, die man nur auf dem Berg findet?

Taxacher: Auf dem Berg finde ich immer wieder unterschiedlichste Wipferln, Alpenrosen und auch Enzian.

STANDARD: Jausenvorschlag?

Taxacher: Auf dem Berg darf die Jause ruhig sehr klassisch sein. Ein gefülltes Weckerl mit Wurst und Essiggurkerl ist immer gut. Noch besser ist eine Landjäger oder Speck mit Schwarzbrot.

STANDARD: Dinge, auf die man am Berg verzichten kann?

Taxacher: Stress!

Restaurant Simon Taxacher
Aschauer Str. 46
6365 Kirchberg

Foto: Restaurant Obauer

Rudi Obauer
Obauer, Werfen

STANDARD: Inhalt des Wanderrucksacks als Kind?

Obauer: Meistens Schokolade, hartgekochte Eier und ein Keli.

STANDARD: Liebste Wanderroute in Österreich?

Obauer: Wir haben tolle Wanderwege im Salzburger Pongau und Lungau.

STANDARD: Lieblingsberghütte?

Obauer: Am liebsten bin ich bei Hary und Babsi auf der Ostpreussenhütte in Werfen. Sie liegt auf dem Weg zum Hochkönig.

STANDARD: Produkte, die man nur auf dem Berg findet?

Obauer: Gebirgswermut, Latschenwipfel oder Meisterwurz.

STANDARD: Inhalt der Jausenbox beim Wandern?

Obauer: Ein Roggenweckerl, selbstgemachter Speck, Käse von Günther Naynar und selbst eingelegte Pfefferoni.

Restaurant Obauer
Markt 46
5450 Werfen

Foto: Felicitas Matern / Palais Coburg

Silvio Nickol
Palais Coburg, Wien

STANDARD: Erinnerungen an Wanderungen in der Kindheit?

Nickol: Als Kinder sind wir viel gewandert. Das Schöne an Wanderungen ist, dass man dabei den Kopf freibekommt und energiegeladen in den Alltag zurückkehren kann.

STANDARD: Dinge, auf die man auf dem Berg verzichten kann?

Nickol: Hektik und Eile: Man geht auf den Berg, um durchzuatmen, zu entschleunigen und den Kopf freizubekommen.

STANDARD: Kücheninspirationen beim Wandern?

Nickol: Wald und Wiese bieten neben den schönen visuellen Eindrücken auch Reize für sämtliche Sinne. Ich arbeite mit den unterschiedlichsten Kräutern, die es zu finden gibt. Vor allem mein Geruchs- und Geschmackssinn kommen hier sehr oft zum Einsatz und liefern Input für neue Ideen.

Silvio Nickol Gourmetrestaurant
Coburgbastei 4
1010 Wien


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