Italienische Leichtathletin Daisy Osakue: "Sie wollten nicht mich, die Person Daisy, sondern mich, die junge Schwarze, treffen."

Foto: Ansa / Alessandro Di Marco

Daisy Osakue ist in der Nacht auf Montag gerade auf dem Weg nach Hause in Moncalieri bei Turin, als sie aus einem vorbeifahrenden Auto mit Eiern beworfen wird. Eines trifft die 23-Jährige im Gesicht und verletzt sie leicht direkt neben dem Auge. Die in Italien geborene Leichtathletin mit italienischer Staatsbürgerschaft und nigerianischem Migrationshintergrund muss im Krankenhaus erstversorgt werden, kann dieses aber bald wieder verlassen. Es ist keine Operation nötig, bald wird sie auch wieder trainieren können.

Die italienische Polizei geht nicht von einer rassistisch motivierten Tat aus, denn es habe in Moncalieri zuletzt schon mehrere solche Vorfälle gegeben: Mitte Juli sei ein männlicher Pensionist attackiert worden, rund zwei Wochen später dann drei Frauen. In beiden Fällen handelte es sich um Personen heller Hautfarbe. Doch Osakue ist überzeugt: "Sie wollten nicht mich, die Person Daisy, sondern mich, die junge Schwarze, treffen", zitiert sie die italienische Nachrichtenagentur Ansa.

Tödliche Verfolgungsjagd

Politik und Medien streiten seitdem besonders emotional, oft auch polemisch über diesen Vorfall im Nordwesten Italiens. Da gibt es jene, die die Attacke auf Osakue in eine Reihe stellen mit einer tödlichen Verfolgungsjagd in Aprilia in der Hauptstadtregion Latium: Dort waren erst in der Nacht auf Sonntag ein Marokkaner und eine weitere Person in einem Auto von drei Personen in einem anderen Auto verfolgt worden, weil diese davon ausgegangen waren, es handle sich bei den beiden Marokkanern um Einbrecher.

Kurz nachdem der Verfolgte mit dem Wagen gegen eine Mauer geprallt war, erlag er seinen Verletzungen. Ob diese von dem Unfall oder von anschließenden körperlichen Misshandlungen durch die Verfolger herrührten, war vorerst unbekannt. Die Männer jedenfalls dementierten Berichte, handgreiflich geworden zu sein. Sie hätten bloß angehalten und die Polizei gerufen. Im Pkw des Mannes wurden tatsächlich Einbruchwerkzeuge sichergestellt.

Ein sichtlich um Kalmierung bemühter Staatspräsident Sergio Mattarella zeigte sich tief betroffen von dem Vorfall in Aprilia und sprach von "Wildwestszenen" mitten in Italien.

"Eine von uns"

Und auch Paolo Montagna, Bürgermeister von Moncalieri, bemühte sich demonstrativ um Mäßigung und Ruhe. "Du bist eine von uns", sagte er an Daisy Osakue gewandt, "du machst uns jeden Tag aufs Neue stolz: darauf, was für eine Frau du bist; und darauf, was du tust." Gemeinsam werde man die Täter ausforschen und zur Verantwortung ziehen – und auch alle jene, die diese Vorfälle verharmlosen oder gar gutheißen würden.

An Italiens Innenminister Matteo Salvini, Chef der rechten Lega, gewandt, sagte Montagna: "Er (Salvini) soll uns zeigen, auf welcher Seite das Land steht. Er soll darüber nachdenken, wie sehr er selbst daran beteiligt ist, ein solch kompliziertes Klima zu schaffen."

Salvini dementiert "Rassismus-Notstand"

Salvinis Replik ließ nicht lange auf sich warten: Er verurteile jede Art von Gewalt, weise aber gleichzeitig zurück, dass Italien mit einem "Rassismus-Notstand" konfrontiert sei. Er würde sich gerne mit Osakue treffen und hoffe, dass sie sobald wie möglich wieder für Italien auf Medaillenjagd gehen könne. Fast wortgleich äußert sich Regierungschef Giuseppe Conte.

Für die Opposition ist das aber nicht genug. Vor allem die Sozialdemokraten – bei denen laut Ansa auch die junge Leichtathletin Mitglied ist – warnt vor einer "Verrohung unserer Gesellschaft". Diese könnte dazu beitragen, dass es künftig verstärkt zu rassistischen, sexistischen und homophoben Vorfällen komme, warnt der Ministerpräsident der Region Piemont, Sergio Chiamparino. Ex-Premier Matteo Renzi spricht von einer Tat "widerlicher Rassisten".

"Zurück ins Mittelalter"

Vizepremier Luigi Di Maio, Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, nimmt seinen Regierungskollegen Salvini in Schutz: "Wer solche Episoden dazu verwendet, um gegen die Regierung zu schießen, wird nichts gegen das Problem des Rassismus bewirken können."

Valentina Diouf, eine italienische Volleyballspielerin mit senegalesischen Wurzeln, sieht die italienische Gesellschaft auf einem falschen Weg: "Statt vorwärtszukommen, gehen wir wieder ins Mittelalter zurück."

Während die Polizei im Piemont nun nach einem Fiat Doblò und den Insassen fahndet, geht die Diskussion über die Auswirkungen der zuletzt sehr restriktiven Flüchtlings- und Migrationspolitik in Italien weiter – zumindest auf Facebook, Twitter und Co in teilweise sehr rauem, untergriffigem Tonfall. (red, 31.7.2018)