Ein junger Stern sendet Strahlung und Materie in Form von Jets aus. Die Hubble-Aufnahme zeigt das Objekt HH 24 in einer Sternentstehungsregion im Orion. Etwa so könnte unser beginnendes Sonnensystem vor 4,5 Milliarden Jahren ausgesehen haben.
Foto: Nasa/Esa

Zürich/Chicago – Das vergleichsweise ruhige Dasein unserer Sonne ist ein Grund, warum sich auf der Erde höheres Leben entwickeln konnte. Nun war allerdings unser Zentralgestirn nicht immer so wenig temperamentvoll: Die Untersuchung blauer Kristalle aus Meteoriten verrieten Astronomen nun, dass die Sonne in ihrer Jugend durchaus auch anders konnte. Ihre "Kindheit" dürfte von regelmäßigen dramatischen Ausbrüchen geprägt gewesen sein.

Bis heute ist nur wenig über die Frühphase es Sonnenlebens bekannt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass unser Heimatstern der Spektralklasse G2V älter ist, als so gut wie alle anderen Objekte des Sonnensystems. Nun aber ist es Wissenschaftern von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und der University of Chicago gelungen, einen Blick in die Zeit kurz nach der Geburt der Sonne zu werfen.

Verräterische Hibonitkristalle

Als Fenster in diese rund 4,6 Milliarden Jahre zurückliegende Ära diente dem Team um Levke Kööp vom Field Museum in Chicago der Murchison-Meteorit. Der riesige Brocken war am 28. September 1969 in Victoria, Australien, niedergegangen; immerhin fast hundert Kilo Material konnte von ihm geborgen werden. Reichhaltige Einschlüsse aus blauen Hibonitkristallen, reich an Calzium und Aluminium, stammen aus der Urzeit des Sonnensystems und verraten so auch einiges über die Entwicklung der Sonne.

Ein Teil des Murchison-Meteoriten aus dem Field Museum in Chicago. Der Brocken enthält blau Kristalle, die viel über die Jugend der Sonne verraten.
Foto: Field Museum, Chicago

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass diese Einschlüsse die ersten Minerale waren, die vor gut 4,5 Milliarden Jahren aus dem solaren Nebel kondensierten. Sie formierten sich nahe der Sonne, damals ein 2.000 Grad heißes Gasgemisch, das sich langsam abkühlte. Innerhalb weniger Millionen Jahre gelangten die Minerale in äußere Regionen des Sonnensystems, wo sie in Asteroiden eingebaut wurden.

Zwei Klassen von mineralischen Archiven

Die Forscher analysierten zwei verschiedene Klassen von Einschlüssen und maßen deren Gehalt an Helium- und Neon-Isotopen. Da Helium-3 und Neon-21 entstehen, wenn Einschlüsse kosmischer Strahlung ausgesetzt sind, erlaubt deren Untersuchung Rückschlüsse auf die Bedingungen, der die Minerale im Weltraum ausgesetzt waren.

"Vom Murchison-Meteorit wissen wir, dass dieser rund 1,5 Millionen Jahre im All unterwegs war, bevor er auf die Erde stürzte", erklärte Henner Busemann, Koautor der im Fachjournal "Nature Astronomy" präsentierten Studie. Auch eine der beiden untersuchten Klassen wies das gleiche Bestrahlungsalter auf. Die andere zeigte allerdings deutlich höhere Werte von Helium-3 und Neon-21. "Diese Klasse hat also nach ihrer Bildung und vor dem Einbau in den Mutterasteroiden von Murchison eine zusätzliche Bestrahlung abbekommen", sagte der ETH-Forscher.

50-mal stärkere Strahlung

Dafür haben die Wissenschafter es nur eine Erklärung: Die Strahlung der Sonne muss bei der Entstehung dieser Minerale mindestens rund 50-mal stärker gewesen sein als zu jenem späteren Zeitpunkt, da die andere Klasse der Einschlüsse und das restliche Material des Murchison-Mutterkörpers kondensierten. "Dass die junge Sonne eine solch aktive Phase durchlief, wurde zwar schon aufgrund anderer früherer Messungen von Meteoritenmaterial vermutet, doch erst jetzt haben wir einen stichhaltigen Beweis dafür", zeigte sich Busemann erfreut. Ähnlich aktive Phasen kann man heute bei jungen, sonnenähnlichen Sternen beobachten, die verstärkt Röntgen- und Teilchenstrahlung in Form von Jets aussenden.

Möglich machte die genaue Messung ein am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich vor 20 Jahren gebautes Instrument. Das Zürcher Massenspektrometer, von den Forschern "Tom Dooley" getauft, ist weltweit nach wie vor das einzige Instrument, das solch geringe Konzentrationen bestimmter Edelgase nachweisen kann. Bei Helium- und Neonmessungen ist es um einen Faktor 100 empfindlicher als kommerzielle Geräte. (red, APA, 31.7.2018)