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Staatspräsident Macron verspürt zunehmend Druck.

Foto: Reuters/RAFAEL MARCHANTE

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire räumte am Dienstag ein, dass er "die Wachstumsprognosen für 2018 revidieren" müsse. Damit bremst er die hochgeschraubten Erwartungen, auf denen die gesamte Wirtschaftspolitik von Staatspräsident Emmanuel Macron beruhte.

Bisher war die Regierung in Paris von einem Wachstum von 1,7 Prozent für 2018 ausgegangen – nach 2,3 Prozent im Jahr zuvor. Le Maire hatte gar mit einer Expansion des Bruttoinlandproduktes um zwei Prozent geliebäugelt. Jetzt fiel das zweite Quartal mit nur 0,2 Prozent Zuwachs so enttäuschend aus wie das erste. Le Maire nannte als Grund den wochenlangen "Bahnstreik, die Ölpreiszunahme und die internationalen Handelsspannungen". Die knapp über der Stagnation liegenden Wachstumszahlen sind für die Staatsführung ein herber Rückschlag.

WM-Sieg brachte keinen Konsumschub

Seit der Wahl Macrons Mitte 2017 hatte die französische Wirtschaft in einem günstigen Umfeld zugelegt, was der junge Präsident als Beweis seiner eigenen Dynamik auslegte. Nun wird er in gewissem Sinn das Opfer äußerer Entwicklungen. Nicht einmal der Fußball-WM-Sieg verhalf Frankreich laut den neusten Quartalszahlen zu einem neuen Konsumschub. Die französischen Exporte haben zwar im ersten Halbjahr leicht zugenommen, aber weniger als die Importe, sodass das mittlerweile chronische Handelsdefizit Frankreichs weiter steigt.

Obwohl die Landeskonjunktur weitgehend von der Weltwirtschaft und nicht von Macron abhängt, wächst nun die Kritik an dem Präsidenten, er tue zuwenig für die Löhne seiner Bürger. Le Maire forderte seine Landsleute am Dienstag zu mehr "Geduld" auf. Der Reformkurs der Regierung sei richtig und bleibe aktuell, nehme aber mehr Zeit als erwartet in Anspruch. "Nichts wird uns davon abbringen, für ein höheres Wirtschaftswachstum zu kämpfen", fügte er an.

Reformvorhaben bedroht

Die schlechten Konjunkturzahlen und die zunehmende Kritik bedrohen allerdings weitere Reformvorhaben wie etwa den Abbau von 120.000 (von insgesamt fünf Millionen) Beamtenstellen. Der Staatsanteil am BIP, der als Bremse einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung gilt, bleibt damit auf hohen 56, die Steuer- und Abgabenquoten bei 45 Prozent.

Die Konjunkturbremse des ersten Halbjahres hat sich bereits auf die Arbeitslosigkeit ausgewirkt: Sie stieg im zweiten Quartal wieder um 0,1 Prozent, nachdem sie im vergangenen Jahr unter die Zehn-Prozent-Schwelle und bis auf 9,2 Prozent gefallen war. Damit verharrt die Arbeitslosigkeit auf einem hohen Sockel, der laut Ökonomen weitgehend strukturell bedingt ist. Macron plant zwar eine umfassende Berufs- und Weiterbildungsreform, doch kommt das Vorhaben nicht recht vom Fleck.

Kritik an Macron nimmt zu

Staatspräsident Macron hat bis zu seinem eigenen Mandatsende im Jahr 2022 noch Zeit, Frankreich von Grund auf zu erneuern. Mit steigender Kritik an Macron – der politisch bereits wegen der Prügelaffäre seines Chefleibwächters unter Druck ist – wachsen aber auch die Widerstände gegen seinen Reformkurs. Einzelne Vorhaben musste er deshalb bereits aufschieben. Ob er die ungleich brisantere Rentenreform wie angekündigt nächstes Jahr durchziehen kann, scheint derzeit fraglich. Wenn aber Macrons Durchsetzungsvermögen einbricht, wird das Wirtschaftswachstum auch langfristig leiden. (Stefan Brändle aus Paris, 31.7.2018)