Foto: APA/BMVIT/MIKE RANZ

PRO: Längst Realität

von Günther Oswald

Umweltschützer müssen jetzt stark sein. Es gibt bereits haufenweise Autofahrer, die auf Österreichs Autobahnen schneller als 130 unterwegs sind. Deren Fahrverhalten entspricht zwar nicht der Straßenverkehrsordnung, führt aber längst zu erhöhtem Schadstoffausstoß. Von daher wiegt das Umweltargument gegen Tempo 140, das ab Mittwoch offiziell getestet wird, nicht schwer. In der Praxis wird sich nämlich nicht viel ändern. Wer etwas schneller fahren will, tat das bisher schon. Wer eher defensiv unterwegs ist, wird künftig auch nicht automatisch aufs Gaspedal treten, nur weil das jetzt erlaubt ist.

Infolgedessen ist auch nicht mit einem Anstieg der Verkehrsunfälle zu rechnen. Das gern vorgebrachte Argument, auf deutschen Autobahnen, für die teilweise gar keine Tempolimits gelten, würden mehr Unfälle passieren, ist bei näherer Betrachtung auch nicht wahnsinnig stichhaltig. Bezieht man die höhere Verkehrsdichte auf den deutschen Straßen ein, kommt man auf eine ähnliche Unfallhäufigkeit wie hierzulande, hat der ÖAMTC errechnet.

Sollte Tempo 140 also nach dem Test in den Regelbetrieb übernommen werden, würde man damit nur nachvollziehen, was längst Realität ist. All jene Experten und Politiker, die nun laut schreien, welchen Wahnsinn Verkehrsminister Norbert Hofer da wieder produziert, sollten sich die ehrliche Frage stellen, wie oft sie selbst die derzeitigen Geschwindigkeitsbeschränkungen überschreiten. (Günther Oswald, 31.7.2018)

KONTRA: Noch fester aufs Gaspedal

von Rosa Winkler-Hermaden

"Tempo 140? Fahre ich sowieso." Das ist die Reaktion vieler Autofahrer auf die Testabschnitte auf der Westautobahn, die Verkehrsminister Norbert Hofer eingerichtet hat. Um zehn km/h schneller als bisher darf man ab Mittwoch auf zwei Teilstrecken der Westautobahn fahren. Was jetzt schon als Kavaliersdelikt gilt – vor allem, weil Messtoleranzen dazu führen, dass auch zuvor Tempo 140 kaum bestraft worden ist –, wird durch die Probephase legitimiert. Völlig ausgeblendet wird, was die Tempoerhöhung aber für Folgen hat, obwohl es Experten seit Bekanntwerden der Pläne gebetsmühlenartig wiederholen: Die Abgaswerte werden steigen, die Lärmbelästigung wird mehr, der Bremsweg wird länger, wodurch auch das Unfallrisiko zunimmt.

Und natürlich motivieren Verkehrsschilder mit dem Hinweis, Tempo 140 sei erlaubt, dazu, noch fester aufs Gaspedal zu steigen. 150, 160 – warum nicht? Man will ja wissen, wie sich das anfühlt.

Doch was will Hofer eigentlich mit diesem Schritt? Er will die Klientel der FPÖ bedienen – und die ist eine Autofahrerpartei. Von jeher trommelt die Partei gegen jede Maßnahme zur Verkehrsberuhigung in Wien – wie etwa gegen die Einführung der Fußgänger- und Begegnungszone Mariahilfer Straße, wo Radfahrern und Fußgängern mehr Platz gemacht wurde. Derzeit wettern die Blauen gegen den Vorschlag einer City-Maut. Hofer als Widerpart der Grünen Maria Vassilakou? Er sieht das wohl als Auszeichnung. (Rosa Winkler-Hermaden, 31.7.2018)