Innenverteidiger Lukas Spendlhofer (rechts) möchte dem Favoriten aus Amsterdam die Spielfreude nehmen.

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Graz – Anspruch und Wirklichkeit sind mitunter zwei Paar Schuhe. Sturm Graz kann nach dem 3:2-Auftaktsieg gegen Hartberg in der Bundesliga ein Lied davon singen. Das Ergebnis stimmte, aber vom Cupsieger und Vizemeister wird spielerisch mittlerweile mehr erwartet. Trotz Kaderumbruchs im Sommer. "Wir sind erleichtert, haben aber noch Luft nach oben", sagt Lukas Spendlhofer dem STANDARD vor dem Rückspiel der zweiten Qualifikationsrunde zur Champions League gegen Ajax Amsterdam (20.30 Uhr, ORF 1/Liveticker auf derStandard.at).

Der 25-jährige Innenverteidiger ist hinter den Eigenbauspielern Tobias Schützenauer (Ersatztorwart) und Sandri Lovric (Mittelfeld) der längstdienende Sturm-Akteur im Kader. Seit 2014 trägt er das schwarz-weiße Trikot, anfangs noch als Leihspieler von Inter Mailand. Vier Jahre klingen wenig, sind im schnelllebigen Fußball aber eine gewisse Marke. "Vereinstreue ist heutzutage ein sehr schwieriges Thema", sagt Spendlhofer.

Schlagkräftig auch ohne blindes Verständnis

Sturm ist in dieser Transferperiode ein Leidtragender. Zahlreiche Leistungsträger verließen den Verein, meist ablösefrei. Die Abgänge zur nationalen Konkurrenz riefen auf Klub- und Fanebene Unverständnis hervor. Spendlhofer erfuhr vom Wechseltheater im Urlaub ("Freunde schrieben: "Uh, der Nächste ist weg"), er selbst bleibt positiv: "Für mich gibt es keinen Grund, sich in Graz nicht wohlzufühlen."

Seine Freundin kommt aus der Steiermark, auf dem Spielfeld sieht der Rechtsfuß trotz hochaktiver Transferzeit eine schlagkräftige Truppe. Das blinde Verständnis fehlt aber noch nach der kurzen Vorbereitungszeit. Offensiv mehr als defensiv. "Da geht's viel um die Laufwege." Das sei aber normal. Nicht so selbstverständlich ist dann schon ein selbstbewusster Auftritt gegen ein Kaliber wie Ajax Amsterdam. Vor dem Hinspiel galt Sturm als Außenseiter, nach der 0:2-Niederlage umso mehr. Sportdirektor Günter Kreissl gibt bei Sky den Plan vor: "Möglichst lange kein Tor bekommen und irgendwann im Laufe des Spiels 1:0 in Führung zu gehen, weil dann auch bei Ajax was passiert." Spendlhofer stimmt dem zu: "Kompakt stehen, aber den Ballbesitz besser ausspielen als in Amsterdam" , beschreibt er den schmalen Grat zwischen fatales Auswärtstor vermeiden und nach vorne Akzente setzen.

Keine Handbremse

Diese Außenseiterrolle aus dem Bilderbuch könnte Sturm aber durchaus liegen. Bestes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit bot das Cupfinale gegen Salzburg, das die Steirer verdient 1:0 nach Verlängerung für sich entscheiden konnten. "Genauso mutig müssen wir im Rückspiel agieren", sagt Spendlhofer, dem aber bewusst ist, dass da diesmal auch der Gegner mitspielen müsste. "Wir müssen ihnen die Spielfreude nehmen, das Spielglück auf unsere Seite ziehen." Trainer Heiko Vogel sagt: "Wer ins Stadion geht und glaubt, wir nageln die an die Wand und halten sie von unserem Tor fern, ohne dass es für uns brenzlig wird, muss in ein anderes Stadion gehen. Es geht nur mit losgelöster Handbremse."

In Amsterdam waren Glück und Klasse aufseiten von Ajax. Tormann Jörg Siebenhandls Fehler ermöglichte die Führung. In der zweiten Halbzeit reklamierte Sturm vergeblich Elfer, den Ajax im Gegenzug zum 2:0 erhielt. Zum Spielglück gehören auch Standardsituationen. Spätestens seit der WM ist das allseits bekannt. 73 der 169 erzielten Tore (43,2 Prozent) resultierten in Russland aus Standards, mit denen auch Sturm im Hinspiel vereinzelt Gefahr andeuten konnte. Und am Samstag getroffen hat. Der Torschütze zum zwischenzeitlichen 1:1 gegen Hartberg war Lukas Spendlhofer. Er hofft auf einen günstigen Spielverlauf: "Wir müssen Ajax zum Nachdenken bringen." (Andreas Gstaltmeyr, 1.8.2018)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen:

Sturm Graz – Ajax Amsterdam (Merkur-Arena, 20.30 Uhr/live ORF eins, SR Frankowski/POL). Hinspiel 0:2 – der Aufsteiger steht in der 3. Quali-Runde der Champions League, der Verlierer steigt in die 3. Quali-Runde der Europa League um.

Sturm: Siebenhandl – Koch, Spendlhofer, Avlonitis, Maresic, Ferreira – Hierländer, Lovric, P. Zulj – Hosiner, Pink

Ersatz: Schützenauer, Giuliani – Obermair, Schrammel, Huspek, Lackner, Grozurek, Eze

Es fehlt: Jantscher (Ödem im Unterschenkel)

Ajax: Onana – Mazraoui, De Ligt, F. De Jong, Tagliafico – Ziyech, Schöne, Eiting – Neres, Huntelaar, Tadic

Ersatz: Lamprou, Kotarski – Kristensen, Blind, Wöber, Van de Beek, S. De Jong, Labyad, Lang, Sierhuis

Es fehlen: Cerny, Veltman (beide Kreuzbandriss), Bande (Bruch des Wadenbeinschaftes), Dolberg (Bauchwandverletzung), Van Leer (krank)