Karin P. lebte zehn Jahre lang in einer Ehe, in der es täglich zu Übergriffen kam.

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Tom hat seine Partnerin erstochen, "Sie wollte mich verlassen. Ich hatte das Gefühl, dann stehe ich in der Gesellschaft als Verlierer da", erzählt er.

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Rosi und Maria waren bei schon in ihrer Kindheit von Gewalt betroffen.

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Wien – Karin P. war zehn Jahre lang mit einem Mann verheiratet, der sie geschlagen hat. Begonnen habe die Gewalt am Tag ihrer Hochzeit, erzählt sie in der ORF-"Schauplatz"-Reportage "Wenn Männer Frauen schlagen", zu sehen am Donnerstag um 21.05 Uhr in ORF 2. "Ich wurde von einer Frau, die er begehrt hat, zu einem Gegenstand." Mit Schlägen habe er sich bei ihr abreagiert. "Er war ein Despot, dem es vor allem darum ging, mich zu kontrollieren und die kleinsten Verfehlungen zu bestrafen." Blaue Flecken habe sie mit Schminke kaschiert.

In Österreich ist jede fünfte Frau von männlicher Gewalt betroffen. 2017 wurden von der Polizei 8.755 Betretungsverbote verhängt, von den Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen wurden 18.860 Opfer familiärer Gewalt betreut, 88 Prozent der Gefährder waren männlich. "Am Schauplatz"-Redakteurin Julia Kovarik hat mit betroffenen Frauen gesprochen und auch Männer im Gefängnis besucht, die wegen Mordes an ihrer Partnerin schuldig gesprochen wurden.

"Bei der Recherche wurde bald klar, dass es sehr schwierig wird, Betroffene zu finden, die darüber reden möchten", sagt Filmemacherin Kovarik zum STANDARD. "Das Thema ist mit sehr viel Scham verbunden und auch rechtlich sehr heikel. Immerhin gibt es bei häuslicher Gewalt meist keine Zeugen. Und jede Frau, die über Gewalt spricht, spricht auch über einen Gewalttäter." Für die Reportage hat sie vor allem mit Opferschutzeinrichtungen zusammengearbeitet.

Macht und Kontrolle

"Typisch für Gewaltbeziehungen ist, dass es um Macht und Kontrolle geht. Der gefährlichste Zeitpunkt für eine Frau in einer solchen Beziehung ist, wenn sie sich trennen möchte. Das ist der Zeitpunkt, an dem es mitunter auch zu Morden kommt – weil despotische Männer ihren Einflussbereich nicht aufgeben möchten. Frauenhäuser sind deshalb auch geheime Orte, weil Frauen dort mitunter in akuter Lebensgefahr sind", so Kovarik.

Ähnlich sei es auch bei Karins Ehe gewesen. Sie habe sich trennen wollen, der Mann habe das mit allen Mitteln boykottiert. Er habe sie abhängig gemacht und sie sozial isoliert und geschaut, dass sie kein eigenes Geld mehr hat. Erst nach vielen Jahren habe sie es geschafft, sich scheiden zu lassen.

"Kein Konsens darüber, dass Gewalt indiskutabel ist"

"Wer einmal zuschlägt, wird es immer wieder tun", ist Maria überzeugt. Sie arbeitet in der Kleiderkammer der Wiener Obdachloseneinrichtung Gruft, genauso wie Rosi. Beide Frauen waren schon als Kinder mit Gewalt konfrontiert. "Mir hat das meine Mutter schon mitgegeben, dass ich das aushalten muss. Sie hat auch einen Schläger gehabt", erzählt Maria.

"Oft ist es so, dass Frauen deshalb nicht darüber reden, weil sie Partnerschaften von klein auf so kennengelernt haben und glauben, Gewalt gehöre in einer Beziehung irgendwie dazu", so Kovarik. "Es kommt auch vor, dass Frauen deshalb nicht darüber reden, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen nicht geglaubt wird oder dass sie 'übertreiben'. Dann fallen Sätze wie 'Zum Streiten gehören immer zwei', 'Vermutlich hast du es provoziert' oder 'Du hast dir den Mann ja ausgesucht'. In Österreich gibt es leider noch nicht den gesellschaftlichen Konsens darüber, dass körperliche Gewalt in jedem Fall indiskutabel ist."

Gespräche mit Mördern

In Grazer Gefängnis Karlau sind laut Kovarik derzeit 91 Männer wegen Mordes oder versuchten Mordes inhaftiert, 80 Prozent von ihnen sind sogenannte Beziehungstäter. Einer davon ist Tom, 20 Jahre Haft lautete das Urteil, er hat seine Frau erstochen. "Sie wollte mich verlassen. Ich hatte das Gefühl, dann stehe ich in der Gesellschaft als Verlierer da. Ich habe keine andere Lösung gesehen außer Mord", sagt er in der Reportage. Kovarik erzählt: "Ich musste schon einige Gespräche führen, bis ich drei Insassen hatte, die zu einem Gespräch bereit waren. Ich hatte das Gefühl, dass die drei Insassen gerne die Möglichkeit angenommen haben, zu erklären, warum man etwas macht, was allgemein so unverständlich ist."

Zunächst habe sie sich sehr unwohl gefühlt, "auch deshalb, weil ein Hochsicherheitsgefängnis an sich schon kein sehr angenehmer Drehort ist". Im Laufe der Interviews habe sich das aber geändert. "Die drei Männer haben erstaunlich offen und reflektiert über ihre Taten gesprochen. Es waren sehr gute Gespräche."

Alle drei Männer haben ihre Frauen mit einem Messer erstochen, alle drei beschreiben die Tat wie einen Rausch und als Resultat großer Ohnmacht und Hilflosigkeit. "Alle drei sind in sehr patriarchalen Familien groß geworden, mit dominanten, rigiden Vätern, die selbst schon gewalttätig waren. Probleme mit der Partnerin auf Augenhöhe zu diskutieren ist in ihrem Beziehungsbild nicht vorgekommen."

Über jemanden verfügen können

Was kann der Staat, was die Gesellschaft tun, um betroffenen Frauen zu helfen? Kovarik: "In erster Linie braucht es einmal viel mehr Bewusstsein dafür, wie viele Paarbeziehungen nach wie vor durch Gewalt geprägt sind. Obwohl man das Gefühl hat, dass in puncto Gleichberechtigung einiges weitergeht, bleiben die Zahlen zur häuslichen Gewalt seit Jahren gleich. Das hat natürlich immer noch sehr viel mit alten patriarchalen Vorstellungen von Beziehungen zu tun, mit der Vorstellung, über jemanden verfügen zu können." Derzeit streicht Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß Förderungen für Frauenprojekte, weniger Geld bekommen auch Projekte, die sich für die Prävention von Gewalt gegen Frauen engagieren. (Astrid Ebenführer, 2.8.2018)