Wien gilt als Vorzeigestadt des sozialen Wohnens. Man könnte glauben, dass das auch die Situation von Geflüchteten erleichtert – doch das stimmt nicht unbedingt, wie eine Studie der TU Wien zeigt.

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Auch in einer Stadt wie Wien, wo der soziale Wohnbau einen im internationalen Vergleich sehr hohen Stellenwert hat, ist der Zugang zu leistbarem und angemessenem Wohnraum für asylberechtigte Personen äußerst schwierig – zu diesem Schluss kommt eine Studie der TU Wien. Anita Aigner, Professorin an der Fakultät für Architektur und Raumplanung, hat sich gemeinsam mit Studierenden die Situation für Flüchtlinge näher angesehen. Dabei stand das Finden einer regulären Wohnung nach der Grundversorgung im Zentrum.

Kaum Zugang in der Praxis

"Ziel war herauszufinden, wie Menschen nach der Grundversorgung zu einer Wohnung kommen, von wem sie dabei unterstützt werden und welche Wohnsektoren sie dabei erschließen", berichtet Aigner in einer Aussendung. Dafür wurden zahlreiche Interviews mit Personen geführt, die in Wien seit ein bis fünf Jahren als anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte leben.

Dabei habe sich gezeigt, wie hoch die Hürden auch in einer Stadt mit großer sozialer Wohnbautradition sind: "Ob der Zugang zu öffentlichem Wohnraum formal gegeben ist, ist eine Sache. Eine andere, ob der Zugang in der Praxis gewährleistet ist." Anerkannte Flüchtlinge hätten zwar – anders als subsidiär Schutzberechtigte – eine Zugangsberechtigung, "sind aber in der Praxis weitgehend ausgeschlossen", so Aigner.

"Wohnticket" kaum zu bekommen

Das liegt etwa daran, dass man zwei Jahre durchgehend an einer Adresse in Wien gemeldet sein muss, um sich für ein Wiener "Wohnticket" (vormals Vormerkschein) anmelden zu können. Für viele schon Jahre in Wien lebende Asylberechtigte sei diese Anforderung aber wegen häufiger, oft erzwungener Umzüge nicht zu erfüllen. Auch das im Jahr 2015 eingeführte Bonussystem für Langzeitwiener sorge für "strukturelle Benachteiligung": Es erlaube ein Vorrücken in der Warteliste für Gemeindewohnungen um drei Monate pro fünf Jahre Meldezeit (maximal neun Monate), was neu Zugewanderte in der Warteschlange nach hinten reiht.

"Wenn es öffentliche Unterstützung gibt, dann am ehesten für Familien oder Frauen mit Kindern", so die Studienautorin. Allerdings werde im Rahmen der sozialen Wohnungsvergabe, wo Sozialarbeiter in den Prozess der Vergabe eingebunden sind, nur eine sehr geringe Anzahl von Gemeindewohnungen vergeben – "meist schlechtere, die von anderen abgelehnt worden sind".

Diskriminierung und Abzocke

Auch der private Wohnungsmarkt sei für Flüchtlinge schwer zugänglich. "Wohnungssuchende mit schlechtem Deutsch und ohne Arbeit ziehen im Konkurrenzkampf um die knappe Ressource leistbarer Wohnraum regelmäßig den Kürzeren", und sie seien auch Diskriminierung ausgesetzt. Makler würden oft gar nicht zurückrufen, in Privatanzeigen von Vermietern sei manchmal "keine Haustiere, keine Asylanten" zu lesen, und nicht zuletzt gebe es finanzielle Barrieren. "Für Mietwohnungen werden eine Kaution von bis zu sechs Monatsmieten sowie eine Maklergebühr fällig – selbst bei kleinen Wohnungen kommt so eine Summe zustande, die für Geflüchtete kaum aufzubringen ist."

Und es gibt bekanntermaßen auch Vermieter, die die Notlage dieser Menschen ausnützen und von der mangelnden Wohnversorgung profitieren. "Es hat sich ein problematischer informeller Subwohnungsmarkt herausgebildet, auf dem Wohnraum zu überhöhten Preisen angeboten wird", berichtet Aigner. "Für Schlafplätze – nicht für Zimmer – werden hier zwischen 200 und 350 Euro pro Monat verlangt. Besonders alleinstehende Männer sind auf dieses Angebot angewiesen." Überfüllte Wohngemeinschaften finde man aber durchaus auch in mancher regulär vermieteten Wohnung.

"Solidarischer Subwohnungsmarkt" reicht nicht aus

Positiv sei, dass es auch viel Hilfsbereitschaft vonseiten von NGOS und der Zivilgesellschaft gibt, das würden viele Wohnbiografien von Flüchtlingen zeigen. Dieser "solidarische Subwohnungsmarkt" reiche aber nicht aus, um den Wohnbedarf der Zugewanderten zu decken. "Das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", urteilt Aigner, die hier eine große Herausforderung auf die Stadt Wien zukommen sieht. "Das Wiener Modell des sozialen Wohnbaus ist zweifellos gut, doch fokussiert es gegenwärtig zu sehr auf die Mittelschicht. Auf die immer größer werdende Gruppe von Menschen in prekären Verhältnissen darf nicht vergessen werden." (red, 1.8.2018)