Warum ein Balkon in heißen Zeiten zum Schlafzimmer werden soll? Weil draußen immer ein kühler Wind weht.

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Karin Pollack beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. In sommerlichen Tropennächten schläft sie im Freien.

Eines vorneweg: Ich bin kein Outdoor-Typ. Das heißt: Ich mag Camping nicht, im Freien übernachten ist mir rein gefühlsmäßig ein Gräuel, ich denke an wilde Tiere, fremde Menschen und Ungeschütztsein. Rein epigenetisch gibt es bei mir eine große Sehnsucht nach einer Höhle, wenn ich müde werde. Allein: Diese Höhle hat sich in den letzten Tagen ziemlich aufgeheizt. Ruhig im Bett liegen und trotzdem schwitzen: Das ist kein gutes Gefühl.

Instinktiv sucht man nach Auswegen. Wegen drei Wochen im Jahr eine Klimaanlage zu installieren käme mir, auch ökologisch betrachtet, vollkommen unverantwortlich vor. Also ist draußen schlafen der letzte Ausweg. Seit drei Tagen übernachte ich auf dem Balkon.

Nachtlager aufschlagen

Gegen elf Uhr nachts beginnt das große Polsterschleppen. Das Wort "Nachtlager", das ich sonst nur aus alten Romanen kenne, bekommt eine ganz realistische Bedeutung. Die Liegestatt wird jedes Mal wieder gemütlich. Wir haben ein Nachtlicht. Dann schalten wir es aus. In die Sterne schauen ist besser als Fernsehen und vielleicht sogar romantisch.

Abgesehen davon lässt sich auch das Temperaturempfinden des eigenen Körpers beobachten. Beim Einschlafen spüre ich einen lauwarmen Wind auf der Nasenspitze. In den frühen Morgenstunden wird es richtig kühl – deshalb brauche ich eine Reservedecke, denn auch die Füße sind ganz offensichtliche Temperaturmessinstrumente.

Doch weil ich gerüstet bin, schlafe ich fantastisch. Übrigens auch ganz ohne Gelsen. Das mag daran liegen, dass es die Stechmücken einfach nicht in den ersten Bezirk geschafft haben.

Mit Moskitonetz

Denn mein Bürokollege würde auch gerne auf seinem Balkon schlafen, doch in den Bezirken außerhalb des Gürtels dürften sich die Gelsen dieses Jahr wohler fühlen. Deshalb schläft er schlecht – und wandelt gegen halb fünf durch die Wohnung. Eventuell überlegt er sich die Anschaffung eines Moskitonetzes, meinte er unlängst.

Braucht man nicht unbedingt, meint unsere Kollegin. Ihre Nachbarn in der Wohnanlage haben sich einfach in den Garten auf die Bänke dort gelegt. Als sie aufstand und aus dem Fenster schaute, meinte sie kurz, Obdachlose hätten vor ihrem Haus ein neues Basislager aufgeschlagen – dann stellte sich heraus, dass es eh nur die Nachbarn waren.

Die Affenhitze bringt uns also irgendwie wieder zurück zu unseren Wurzeln als Jäger und Sammler. Schließlich schlafen die Menschen seit Jahrtausenden unter freiem Himmel. Ein paar Tage im Jahr können wir ein bisschen ursprünglich leben. Ach ja: Ich stehe jeden Tag mit der Sonne auf. Also gegen sechs. Das verlängert meinen Tag. (Karin Pollack, 5.8.2018)