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Immer deutlicher wird nun, dass Luigi Di Maio (Cinque Stelle, links) und Matteo Salvini (Lega) nicht immer an einem Strang ziehen.

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Zwei Monate nach dem Amtsantritt der neuen italienischen Regierung scheint deren Motor plötzlich ins Stottern zu geraten. Für einige Wochen hatte der Kreuzzug von Innenminister Matteo Salvini gegen Migranten, Schlepper und Hilfsorganisationen europaweit für tägliche Schlagzeilen gesorgt und vergessen lassen, dass die Zahl der Einwanderer in Wirklichkeit bereits unter dessen sozialdemokratischem Vorgänger Marco Minniti um 80 Prozent gesunken war.

Die Fünf-Sterne-Bewegung von Luigi Di Maio hatte Salvini von der rechten Lega gewähren lassen, obwohl viele ihrer Wähler andere Prioritäten wünschen. Die Lega hatte im Gegenzug Vizepremier Di Maio freie Hand bei der Reform des Arbeitsmarktes gelassen, um etwa befristete Arbeitsverträge zu reduzieren. Doch der erwartete Beifall blieb aus. Die Wirtschaftsverbände protestierten gegen das Gesetz, "das die Zahl der Arbeitslosen nicht verringert, sondern erhöht".

Di Maio präsentiert das "Dekret der Würde" (optional deutsche Untertitel verfügbar).
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Die Proteste holten die Lega aus ihrer Euphorie jäh auf den Boden der Realität zurück. In den von ihr regierten Industrieregionen Lombardei und Venetien bekam sie die Verärgerung der Unternehmer deutlich zu spüren: "Wegen eines Flüchtlingsboots mehr oder weniger werden unsere Belange von der Regierung ignoriert", war zu hören. Salvini zog unverzüglich die Notbremse: "Das Gesetz kann im Parlament nachgebessert werden." Di Maio hingegen wehrte sich gegen eine "Verwässerung unseres Textes".

Hochgeschwindigkeitszugstrecke als Zankapfel

Auch die Absicht der Fünf-Sterne-Bewegung, zwei internationale Großprojekte zu versenken, stößt auf Widerstand: nämlich den des Koalitionspartners Lega. Der Protest gegen die umstrittene Hochgeschwindigkeitszugstrecke TAV Turin–Lyon galt schon als Steckenpferd des Cinque-Stelle-Gründers Beppe Grillo, der sich dabei eine Verurteilung einhandelte.

Und auch die im Bau befindliche Trans-Adria-Gasleitung vom Kaspischen Meer nach Süditalien stößt bei den "Grillini" kaum auf Gegenliebe. Ein Ausstieg könnte Italien allerdings über 20 Milliarden Euro kosten. Die Lega unterstützt hingegen beide Projekte. "Bei einer Annullierung der Verträge würden wir als unzuverlässiger Partner dastehen", klagt der Unternehmerverband.

Lieblingsspiel Postenschacher

Unterdessen sind beide Parteien auch mit einem Lieblingsspiel der italienischen Politik beschäftigt: der Postenverteilung – von der staatlichen Investitionsbank über die Bahn bis zum Fernsehen.

Besonders im Staatsfernsehen Rai bleibt kein Stein auf dem anderen. Doch gegen den designierten Präsidenten Marcello Foa gibt es heftigen Widerstand der Opposition, so auch vom konservativen Ex-Premier und Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi. Bei einem persönlichen Treffen mit Salvini prangerte er ihn als "Handlanger der Linken" an.

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Im Wahlkampf waren sie noch Partner, nun aber sitzt nur Matteo Salvini auf der Regierungsbank. Silvio Berlusconi (rechts) könnte die Zweckgemeinschaft platzen lassen.
Foto: AP / Ansa / Alessandro Di Meo

Der drohende Bruch zwischen Salvini und Berlusconi könnte einen weitreichenden Konflikt auslösen, denn viele wichtige Regionen und Städte Italiens werden weiterhin – im Gegensatz zum Parlament – von Bündnissen zwischen Lega und Forza Italia regiert.

"Weiche, Satan!"

Die Lega präsentiert sich unterdessen immer mehr als katholische Vorzeigepartei. Sie hat im Parlament einen Kruzifix-Erlass nach bayerischem Vorbild eingebracht, der das Kreuz in allen öffentlichen Gebäuden und jeder Schulklasse zur Pflicht macht.

Doch just am selben Tag rückte das katholische Wochenmagazin "Famiglia Cristiana" den Lega-Chef drastisch aufs Titelbild: "Vade retro Salvini!" Gnadenlos kritisierte das Kirchenblatt die Migrantenpolitik des Innenministers, der das Cover als "geschmacklos" ablehnte. "Ich bin ein Sünder, aber ich bin nicht der Teufel", sagte er.

"Ich bin ja nicht der Teufel!" Matteo Salvini kritisiert das katholische Wochenmagazin "Famiglia Cristiana" für dessen Cover mit dem Titel "Weiche, Salvini!"
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Kritik kontert der Innenminister, dem auf Facebook drei Millionen folgen, immer salopp, etwa mit einem Zitat des Landsknechtsführers Georg von Frundsberg (1473–1528), das in Italien durch Mussolini bekannt wurde: "Viel Feind’, viel Ehr’!" Und obwohl die Übergriffe auf Ausländer ständig zunehmen und fast täglich für Schlagzeilen sorgen, gilt für ihn: "Der Rassismus in Italien ist inexistent."

Salvini überall

Salvini ist allgegenwärtig. In der Beliebtheitsskala der Politiker führt er deutlich vor Premier Giuseppe Conte, dem stets höflichen und unaufdringlichen Regierungschef, dem im Kabinett bloß die Rolle des Schlichters zukommt.

Conte, Universitätsprofessor für Jus, wurde kürzlich im Weißen Haus von Donald Trump empfangen und hochgelobt: "Sie sind ein Quereinsteiger wie ich." Dem Premier gab der US-Präsident aber eine unliebsame Botschaft an die Fünf-Sterne-Bewegung mit: Die Trans-Adria-Gasleitung sei ein "unverzichtbares Projekt von strategischer Bedeutung".

Tatsächlich unverzichtbar sind für beide Regierungspartner aber ihre wichtigsten Wahlversprechen: eine Steuerreform und das bedingungslose Grundeinkommen. Beiden Vorhaben hat Wirtschaftsminister Giovanni Tria aber schon einen Riegel vorgeschoben: Der parteilose Ökonom hält sie – zumindest heuer – für unfinanzierbar. Nicht zuletzt, weil sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt. (Gerhard Mumelter aus Bozen, 2.8.2018)