Wien – "Ich bin nicht das erste Mal Neger genannt worden, und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein", sagt Erstangeklagter David C. leicht resigniert zu Richter Norbert Gerstberger. "Aber mit Essen beworfen zu werden hat mich zum Explodieren gebracht", erklärt der unbescholtene 19-Jährige, warum er und sein gleich alter und mitangeklagter Freund Karim A. in der Nacht zum 7. Jänner in der U-Bahn-Station Karlsplatz zwei Männer krankenhausreif geschlagen haben.

Der Vater eines der Opfer ist im Saal und der Grund des großen Medieninteresses an dem Verfahren: Eduard "Edi" Finger junior. Sein 28-Jähriger Sohn erlitt bei dem Angriff einen doppelten Nasenbeinbruch, an dem er auch heute noch leidet, und eine Gehirnerschütterung. Vertreten wird er von Anwalt Werner Tomanek, der für ihn und den zweiten Verletzten je 5.000 Euro Schmerzensgeld will.

Mit Nudeln beworfen

Grundsätzlich sind die beiden Angeklagten zur Wiedergutmachung bereit und übergeben Tomanek auch 500 Euro. "Wir möchten uns aufrichtig entschuldigen", beginnt der Erstangeklagte seine Aussage. "Wir wollten damals was essen gehen, da waren vier Jungs, und der mit der Brille hat 'Scheißneger' gerufen. Und er hat mit einer Gabel aus der Nudelbox Essen nach mir geworfen." – "So wie man einem Affen im Zoo Futter zuwirft?", fragt Gerstberger nach. "Ja."

C. und A. stellten den Brillenträger – Fingers Sohn – zur Rede. "Der hat nur gesagt 'Schleich dich, Neger'", erinnert sich der Erstangeklagte. Daraufhin sei es zur Prügelei gekommen. Als jemand den Notstopp der Rolltreppe betätigte, flüchtete das Duo. "Wenn Sie beschimpft wurden, hätten Sie halt 'Scheißweißer' oder so etwas zurückrufen müssen, aber sie können nicht gewalttätig werden", mahnt Gerstberger. "Wir haben halt falsch entschieden", gibt C. zu.

Auch A., wie C. in Wien geboren, aufgewachsen und angehender Student, schildert die Beschimpfung. "Die Burschen waren auf jeden Fall ein bissi betrunken, es war Samstagabend", ergänzt er noch.

Opfer hat keine Erklärung

Finger juniors Junior bestreitet als Zeuge jedoch jegliche Beleidigung. "Ich habe keine Erklärung für den Angriff", gibt er zu Protokoll. "Warum sollten die einfach ohne Grund auf Sie losgehen?", ist der Richter skeptisch. "Weiß ich nicht." Auch der zweite Verletzte will nichts gehört und gesehen haben, sondern völlig überraschend attackiert worden sein. Er kann aber über den Alkoholisierungsgrad Auskunft geben: "Wir waren vorher im Casino und haben ein paar Gläser Wein getrunken. Wir waren nicht mehr nüchtern."

Die Jugenderhebungen zeichnen von beiden Angeklagten ein recht positives Bild: C.s Eltern stammen aus Nigeria, er macht eine Lehre und nebenbei die Matura nach. Bei A. liegen die familiären Wurzeln im Sudan, er hat allerdings schon einen Fleck in der Biografie. 2013 verurteilte ihn Gerstberger zu sechs Monaten bedingt, da er Beitragstäter bei einem Handyraub war.

Privatbeteiligtenvertreter Tomanek versucht im Schlußplädoyer seine Mandanten gut dastehen zu lassen. "Diese Rassismusvorwürfe sind mittlerweile schon etwas inflationär", meint er. "Die beiden Herren haben offenbar auch einen schlechten Tag gehabt. Wie der Afghane, der fast eine Arztfamilie tranchiert hat", zieht er eine kühne Analogie.

Das Leid des Vaters

C. wendet sich bei seinem Schlusswort direkt an Eduard Finger junior. "Wir möchten uns wirklich bei der Familie entschuldigen. Es tut uns leid." Die Antwort des Sportreporters: "Natürlich nehme ich die Entschuldigung an. Aber man muss sich vorstellen, was mit einem Vater passiert, wenn er um 1.30 Uhr vom AKH angerufen wird, dass sein Sohn auf der Intensivstation liegt."

Tomaneks Abwiegelungsversuch stößt bei Gerstberger auf taube Ohren. "Das Gericht sieht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Provokation, es ist tatsächlich nicht nachvollziehbar, dass die beiden völlig grundlos zugeschlagen haben sollen. Sie sind Österreicher, bestens integriert." Der Richter wertet die Provokation auch als Milderungsgrund und verurteilt nicht rechtskräftig C. zu sechs Monaten und A. zu zehn Monaten bedingt. (Michael Möseneder, 1.8.2018)