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Schweigen herrscht in der Partei von Kanzlerin Angela Merkel. In Sachen Flüchtlinge durchzieht die CDU längst ein tiefer Riss.

Foto: Reuters/FABRIZIO BENSCH

Zwei Jahre haben durch Krieg und Flucht getrennte Familien auf diesen Tag gewartet: Am Dienstag hat der Familiennachzug für nachrangig geschützte Flüchtlinge wieder eingesetzt. Konkret: Er läuft wieder an. 1.000 Mütter, Väter, Kinder sollen monatlich nach Deutschland kommen dürfen – keinesfalls 1.001. So steht es im Koalitionsvertrag; und die CSU wird auf das Einhalten dieser Obergrenze streng achten.

Legt man die Zahl der Bundesregierung zugrunde – 34.000 Anträge aktuell –, dauert das Abarbeiten knapp drei Jahre. Hat die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl recht, bemühen sich sogar zwischen 60.000 und 70.000 um Familienzusammenführung. Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisiert die neue Regelung nicht nur wegen ihrer Dauer als "Bürokratiemonster". Die Bundesregierung, sagt er, gaukle vor, dass "nach rationalen Kriterien" entschieden werde; das sei aber "Augenwischerei".

Außen- und Innenministerium haben die Zahl der beteiligten Behörden von zwei auf drei erhöht. Abstimmen müssen sich nun die den Antrag annehmende Botschaft, die für den bereits in Deutschland Wohnenden zuständige Ausländerbehörde – und schließlich das Bundesverwaltungsamt, das künftig die Entscheidung trifft.

Sieger im Notleide-Ranking

"Kriterien der humanitären Bedürftigkeit" nennt die Bundesregierung als Grundlagen der Entscheidung, wer kommen darf – und wer im Libanon, der Türkei, Jordanien oder dem Irak bleiben muss. Es geht also um die Sieger im Notleide-Ranking. Das Kindeswohl soll an erster Stelle stehen, Pluspunkte bringen auch lange Trennungsdauer, Krankheit, größtmögliche Unsicherheit der im Ausland Lebenden und gute Integrationsleistungen derer, die schon in Deutschland sind. Und die Bewertung unterliegt dem Ermessen der Entscheider.

Im Nahen Osten wachsen die Hoffnungen auf positive Bescheide, in Deutschland die Hürden. Zum minderjährigen Kind dürfen zwar die Eltern nachziehen, nicht aber die Geschwister. Die müssten zunächst allein im Ausland bleiben und können eventuell später von den Eltern nachgeholt werden. Falls die irgendwann die Bedingungen erfüllen. Und ihre Kinder darüber nicht volljährig geworden sind. Klagen bei den ohnehin längst überlasteten Verwaltungsgerichten sind programmiert.

Mögliche Doppelungen

Von Montag auf Mittwoch hat das vom CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer geführte Innenministerium, dem die Genehmigungsbehörde unterstellt ist, die Kommunikationsstrategie geändert: von alles kein Problem auf "sicherlich wird es am Anfang nicht ganz so zügig vorangehen". Das SPD-geleitete Auswärtige Amt hingegen hatte gleich eingeräumt, dass aktuell nicht einmal ein Abgleich der Anträge auf Doppelungen möglich ist.

Schweigen herrscht in der Kanzlerin-Partei. In Sachen Flüchtlinge durchzieht die CDU längst ein tiefer Riss. Angela Merkels Politik trieb im April den einstigen Minister Norbert Blüm dazu, sie und die gemeinsame Partei öffentlich darauf hinzuweisen, "Schutz der Familie heißt nicht Schutz der deutschen Familie". Den Nachzug nannte Blüm "die Nagelprobe" für die christliche Motivation der CDU. (Cornelie Barthelme aus Berlin, 1.8.2018)