Der in den vergangenen Jahren immer wieder aufgeflammte Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat Abnehmern in der EU die Dringlichkeit vor Augen geführt, für Krisenfälle vorzusorgen.

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Auch wenn er angesichts der anhaltend hohen Temperaturen noch weit weg zu sein scheint – der nächste Winter und damit die nächste Kältewelle kommt bestimmt. Damit stellt sich auch wieder die Frage, wie es um die Versorgungssicherheit eines der wichtigsten Brennstoffe – Erdgas – bestellt ist.

Die Antwort lautet: Deutlich besser als bisher. Das gilt nicht nur für Österreich, sondern EU-weit und ist Ausfluss negativer Erfahrungen, die europäische Verbraucher als Zaungäste des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine wiederholt machen mussten.

Krise als Auslöser

Der Krisenjänner 2009, als am Knoten Baumgarten an der slowakischen Grenze eine Zeitlang tatsächlich kein Gas mehr ankam, gab den Ausschlag, dass man sich Lösungen zu überlegen begann, wie im Krisenfall die Auswirkungen gemindert werden könnten. Materialisiert hat sich das unter anderem in einer Verordnung der EU-Kommission zur Gasversorgungssicherheit (SoS-Verordnung), die im Vorjahr novelliert wurde und bis März nächsten Jahres schrittweise in Kraft tritt.

"Es geht im Wesentlichen darum, einen Mechanismus für die internationale Zusammenarbeit zu entwickeln", sagte der Chef der Regulierungsbehörde E-Control, Andreas Eigenbauer, im STANDARD-Gespräch. "Bisher hatten wir einen Mechanismus, der an der nationalen Grenze endete. Künftig geht es im Krisenfall um grenzüberschreitende Zusammenarbeit."

"Schützenswerte" Kunden

Ein Automatismus soll verhindern, dass Privathaushalte, egal wo in Europa, im Ernstfall frieren müssen. Österreichische Industrieunternehmen könnten dafür öfter als bisher vom Gasbezug abgeschnitten werden, sollte die Versorgung privater Haushalte im angrenzenden Ausland wegen eines Versorgungsengpasses gefährdet sein. Das gilt umgekehrt auch für Betriebe im angrenzenden Ausland, sollte die Versorgung "schützenswerter Kunden" in Österreich wackeln. Als "schützenswert" gelten in der gesamten EU Privathaushalte. Die Mitgliedsländer können zusätzlich noch andere Gasverbraucher als "schützenswert" einstufen, was die Kosten jedoch erhöht. "Es ist aber nicht sinnvoll, allzu viele in diesen Mechanismus aufzunehmen, andernfalls funktioniert das Ganze nicht", sagte Eigenbauer.

In Österreich beispielsweise wurden neben Privathaushalten auch Fernheizkraftwerke, die mit Gas befeuert werden, in den Kreis schützenswerter Abnehmer aufgenommen. Auch im Notfall werden diese mit Gas versorgt, andere Verbrauchergruppen erst wieder, wenn die Krise vorbei ist.

Suche nach Einigkeit

Noch stehe ein hartes Stück Arbeit bevor, sagte Eigenbauer. Österreich ist fünf von insgesamt einem guten Dutzend Gruppen entlang definierter Risikokorridore zugeordnet. Die Löwenarbeit in den nächsten Wochen und Monaten bestehe darin, Einigkeit innerhalb dieser Solidargruppen zu finden, was die notwendigen Gasmengen und den finanziellen Ausgleich dafür betrifft.

Die Notfallpläne sind jedenfalls so zu gestalten, dass schützenswerte Kunden im Krisenfall mindestens 30 Tage versorgt werden können. Zum Vergleich: Bei Erdöl ist eine Bevorratung vorgeschrieben, die für zumindest 90 Tage reicht.

Gaspreise im Winter stabil

Was Gas betrifft, rechnet Eigenbauer für die kommende Heizsaison mit keinem Preisanstieg: "Ich kenne keine Ankündigung von Unternehmen, die ihre Preise erhöhen möchten – anders als bei Strom." Die bevorstehende Verteuerung elektrischer Energie hänge mit der Trennung der gemeinsamen Strompreiszone zwischen Österreich und Deutschland ab 1. Oktober zusammen.

Durch die Auktionierung der Strommengen kann Österreich nur mehr in beschränktem Ausmaß billigen Windstrom aus der Nordsee zukaufen. Damit soll die Netzstabilität innerhalb Deutschlands verbessert werden, erhoffen sich Befürworter. In Österreich dürfte Strom dadurch aber unterm Strich um zwei bis drei Cent je Kilowattstunde teurer werden.

Preisrutsch

Die Gaspreise sind seit 2016 ziemlich stabil geblieben, zwischen 2013 und 2016 gab es hingegen einen kräftigen Preisrutsch, der sich in Summe auf etwa 30 Prozent beläuft. Grund war unter anderem die die schrittweise Auflösung der Ölpreisbindung. (Günther Strobl, 2.8.2018)