Wien – Dass Asbestfasern Lungenkrebs auslösen können, ist seit Jahrzehnten bekannt. EU-weit verboten wurde die Verwendung des Minerals allerdings erst im Jahr 2005. Im Wiener Straflandesgericht muss sich Richter Gerald Wagner im Prozess gegen Caner A. mit den gefährlichen Fasern beschäftigten.

Der 33-jährige Angeklagte ist Geschäftsführer seiner Baufirma, deren Mitarbeiter im September in Wien-Hietzing ein kleines Holzgebäude, das mit asbesthaltigen Eternitplatten verkleidet war, abgerissen haben. Allerdings nicht so, wie man es machen sollte.

"Schlampert" beim Verladen

"Beim Herunternehmen sind rund zehn Prozent der Platten zerbrochen", gibt A. zu. "Beim Verladen waren wir auch schlampert." Schließlich sei es eigentlich nicht das Spezialgebiet seiner Firma. Was sich auch daran zeigt, dass die Bauarbeiter weder die vorgeschriebenen Schutzmasken noch Einweganzüge trugen. "Sie haben welche gehabt"; beteuert der Angeklagte. "Ja, im Auto", stellt der Richter klar.

Es sei ein Freundschaftsdienst für einen guten Bekannten gewesen, erzählt A., 15.000 Euro netto habe er damit verdient. Er beteuert auch, seine Untergebenen auf die Gefahren hingewiesen zu haben, einer der Arbeiter behauptet aber, nichts davon gewusst zu haben. Aufgeflogen ist die Sache nach einem anonymen Anruf.

Schon einmal tödlicher Unfall

"Sie haben ja schon eine Vorstrafe wegen fahrlässiger Tötung. Was ist denn damals passiert?", will Wagner von A. wissen. "Ein Arbeiter wurde von einem Balken getroffen." – "Und warum wurden dann Sie verurteilt?" – "Weil er keinen Helm getragen hat." – "Jetzt haben Sie bereits schmerzliche Erfahrungen mit Problemen mit der Schutzausrüstung, und jetzt gibt es wieder sowas", rügt der Richter.

Der Angeklagte und seine Verteidigerin versprechen, dass es künftig keine Probleme mehr geben wird, da sich die Firma mittlerweile auf die Absicherung von Baugruben spezialisiert habe. Wagner entscheidet sich schließlich für eine Diversion, A. persönlich und seine Firma müssen je 5000 Euro als Buße und für Gerichtskosten zahlen.

Rund zehn Anzeigen pro Jahr in Wien

A. ist aber kein Einzelfall, wie ein Anruf bei Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der für Umweltschutz zuständigen Wiener Magistratsabteilung 22, zeigt. "Die gute Nachricht ist: Der überwiegende Teil der Firmen hält die Gesetze bei der Entsorgung der zwischen den 60er- und 90er-Jahren verbauten höchst problematischen Platten ein. Es gibt aber auch schwarze Schafe – in den vergangenen beiden Jahren hatten wir rund 20 Fälle, die wir bei der Staatsanwaltschaft angezeigt haben."

Die Gefahr durch unsachgemäßes Arbeiten und Entsorgen sei nämlich beträchtlich, das sei auch der Grund, warum eine strafrechtliche Sanktion folgen kann. "Wenn eine Platte zerbricht, werden pro Zentimeter Bruchkante rund 25.000 Fasern freigesetzt", rechnet Büchl-Krammerstätter vor. Sollte man den Verdacht haben, dass in der Nachbarschaft sorglos gearbeitet wird, könne man die Umweltabteilung der Stadt kontaktieren. (Michael Möseneder, 2.8.2018)