Sparer könnten sich verschaukelt fühlen: Die EZB, im Bild ihr Tower in Frankfurt, wird die Zinsen laut einer Prognose auf Jahre tief halten.

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Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses Sprichwort wurde schon vor dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident oft bemüht, und seitdem sind Voraussagen keineswegs einfacher geworden. Das als unberechenbar geltende Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten stellt auch Volkswirte wie Carsten Brzeski, Chefökonom der ING Diba in Deutschland, vor eine Herausforderung. Er spielt die wirtschaftliche Entwicklung daher zurzeit hauptsächlich in Szenarien durch – und zieht als Beispiel den Zollstreit der USA mit ihren Handelspartnern heran. Wie wird sich dieser Konflikt weiterentwickeln? "Das weiß niemand", sagt Brzeski, "Prognosen sind schwierig."

Grundsätzlich hätte der Handelsstreit zwar das Potenzial, die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise zu stürzen, das hält der Ökonom allerdings für sehr unwahrscheinlich. Vielmehr droht ihm zufolge eine Konjunkturabkühlung – insbesondere, wenn sich der Konflikt weiter zuspitzen sollte, etwa durch Zölle auf die Autobranche. Bisher seien von der Einführung gegenseitiger Einfuhrschranken vor allem die USA und China betroffen, die Auswirkungen der Zölle auf Stahl und Aluminium treffen Europa Brzeski zufolge kaum. Eine Rezession wegen des Handelsstreits sieht er derzeit für keine der Konfliktparteien.

Zu schnell auf die Zinsbremse

"Auslöser von Rezessionen waren in der Vergangenheit immer die Notenbanken, die zu schnell auf die Zinsbremse gestiegen sind", betont der Ökonom. Diese Gefahr sieht er derzeit nicht, obwohl er heuer noch zwei Zinsschritte der Fed erwartet. Anders als die meisten Marktteilnehmer geht er für 2019 aber nur von zwei statt vier Erhöhungen aus. "Dann ist es genug", sagt Brzeski.

Anders stellt sich die Lage in Europa dar, wo die EZB nur "sehr, sehr schwer" aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik herauskommen werde. Die beste Gelegenheit zum Ausstieg aus den Anleihenkäufen und zu ersten Zinserhöhungen habe die Notenbank heuer nach dem starken Wachstum des Vorjahres bereits verpasst. Nun geht er nach dem Auslaufen der Anleihenkäufe zu Jahresende von einer Abschaffung oder Verringerung der Strafzinsen für Bankeinlagen, die derzeit mit minus 0,4 Prozent verzinst werden, aus. Erst Ende nächsten Jahres ist Brzeski zufolge mit einer Erhöhung des derzeit nullprozentigen Leitzinses zu rechnen.

Japanische Verhältnisse

"Ein Leitzins von einem Prozent in den nächsten Jahren hört sich für mich schon recht hoch an", dämpft der Ökonom Hoffnungen der Sparer auf bessere Konditionen. Die Entwicklung in der Eurozone sehe wie jene in Japan aus, die Sparer müssen sich demnach "noch über Jahre hinweg mit einem Niedrigzinsumfeld" herumschlagen. "Man darf nicht davon ausgehen, dass es zu einem starken Anstieg der Zinsen kommt."

Dass die Börsen dafür wie in den vergangenen Jahren satte Renditen abwerfen, glaubt Brzeski auch nicht. Wohl würde die Zinspolitik für weiter steigende Aktienmärkte sprechen, allerdings nicht die makroökonomische Lage, da auch in den USA eine Wachstumsabschwächung anstehe, wenn im nächsten Jahr die Sonderkonjunktur dank Trumps Steuerreform auslaufen werde. Die Folge: Aktienmärkte, die seitwärts laufen sollten.

Guter Lauf und Wertverlust

Bei Immobilien geht der ING-Diba-Volkswirt davon aus, dass sich der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fortsetzt, wenngleich abgeschwächt. Eine Preisblase, die platzen könnte, sieht er zwar nicht, allerdings warnt er Investoren vor einem auf lange Sicht schleichenden Wertverlust aufgrund der derzeit schon hohen Einstiegspreise in den europäischen Immobilienmärkten.

Den Euro sieht Brzeski auch künftig in einem Korridor zwischen 1,15 und 1,25 Dollar gut aufgehoben, da sowohl die EZB als auch die US-Notenbank mit Kursen in dieser Bandbreite "gut leben können". Allerdings erwartet er, dass der Euro 2019 wieder in Richtung der oberen Bandbreite geht, womit bei Anlagen in höher rentierende US-Zinsprodukte Währungsverluste drohen. (Alexander Hahn, 4.8.2018)