Jeden Tag ein Achtel Rotwein. Aus neurologischer Sicht gibt es dagegen keine Einwände, lautet das Ergebnis einer Studie.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Paris/London – Menschen, die jahrzehntelang keinen Tropfen Alkohol anrühren, haben laut einer Studie ein deutlich höheres Risiko, im Alter an Demenz zu erkranken, als moderate Trinker. Die Wahrscheinlichkeit, dass langjährige Abstinenzler Alzheimer oder andere Formen der Demenz bekommen, sei rund 50 Prozent höher als bei Menschen mit mäßigem Alkoholkonsum, heißt es in einer Studie, die nun im Fachblatt "BMJ" veröffentlicht wurde.

Die Untersuchung beruht auf der Auswertung medizinischer Daten von mehr als 9.000 britischen Staatsbediensteten. Die Aussagekraft der Analyse ist allerdings begrenzt, da es sich um eine reine Beobachtungsstudie handelt. Außerdem ist die Zahl der ausgewerteten Fälle relativ gering.

Dennoch sei das Ergebnis der Studie belastbar, kommentierte Savil Yasar von der Johns Hopkins School of Medicine in der US-Metropole Baltimore, der nicht an der Studie beteiligt war. Die Medizin solle auf Grundlage dieser Erkenntnisse "die mögliche schützende Wirkung von leichtem bis moderatem Alkoholkonsum" hinsichtlich Demenz in Betracht ziehen, riet der Experte.

Unklare Ursache

Die Forscher unter der Leitung von Severine Sabia von Frankreichs Nationalem Institut für Gesundheitund medizinische Forschung legen in der Studie überdies dar, dass unter den moderaten Trinkern Weintrinker das geringere Risiko für Demenz hätten als Konsumenten von Bier oder hochprozentigem Alkohol.

Als leichtes bis moderates Trinken gilt der Studie zufolge für Menschen mittleren Alters der Konsum von einer bis 14 Einheiten Alkohol pro Woche. 14 Einheiten entsprechen wiederum sechs mittelgroßen Gläsern Wein zu je 175 Millilitern mit einem Alkoholgehalt von 13 Prozent oder sechs Gläsern mit rund einem halben Liter Bier mit vier Prozent Alkoholgehalt oder 14 Gläsern Hochprozentiges zu je 25 Milliliter mit einem Alkoholgehalt von 40 Prozent.

Die Studie untersucht nicht die Gründe für die offenbar positive Wirkung moderaten Alkoholkonsums für das Gehirn. Sie enthält aber Hinweise auf Erklärungsansätze. Abstinenzler hätten ein höheres Risiko für Herzerkrankungen und Diabetes, schreiben die Autoren. Außerdem hätten frühere Studien Hinweise auf eine schützende Wirkung von in Wein enthaltenen Polyphenolen auf Nervenstrukturen und Blutgefäße ergeben.

Keine Werbung für Alkohol

Eine an der Studie beteiligte Wissenschafterin gibt allerdings zu bedenken, dass lediglich Daten von Menschen ab einem mittleren Alter ausgewertet worden seien. Möglicherweise hätten die Abstinenzler aber Phasen starken Alkoholkonsums hinter sich, die Jahrzehnte später zur Demenz beigetragen hätten.

"Künftige Studien sollten die Trinkgewohnheiten während des ganzen Lebens untersuchen. Nur so kann der Effekt von Alkohol auf die Entwicklung einer Demenz ausreichend erforscht werden", sagt Sara Imarisio, die das Science Media Centre – das Alzheimer-Forschungszentrum von Großbritannien – leitet. Starkes Trinken lässt der Studie zufolge das Demenz-Risiko deutlich steigen – und zwar um 17 Prozent je sieben zusätzlichen Alkoholeinheiten pro Woche.

Die Studienautoren betonen auch, dass die Ergebnisse Abstinenzler nicht zum Alkoholtrinken verleiten sollen – "angesichts der bekannten schädlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum auf bei Sterblichkeit, neuropsychiatrischen Störungen, Leberzirrhose und Krebs". Auch Yasar kommentierte, nicht nur die Wirkung des Alkohol auf das Gehirn, sondern auch mögliche Risiken wie Leberschäden und Krebs müssten berücksichtigt werden. (APA, AFP, 3.8.2018)