Bregenz/Innsbruck – Wer sich am Mittwochabend auf seine Wetter-App verlassen hat, erlebte in Tirol und Vorarlberg eine unliebsame Überraschung. Die Gewitterfront, die für Donnerstagabend prognostiziert war, erreichte Vorarlberg und das Tiroler Oberland bereits einen Tag früher. Unerwartet heftig entluden sich im Arlberggebiet und Teilen Vorarlbergs lokale Gewitterzellen.

In Schnann und Pettneu, Gemeinden im Tiroler Arlberggebiet, wurden Dorfbäche zu reißenden Flüssen, schoben Unmengen von Geröll in die Dörfer. Wohn- und Betriebsgebäude wurden geflutet. Die Rosanna trat über die Ufer, eine Mure verlegte die Arlbergbahn. Reisende müssen bis voraussichtlich Freitagmittag zwischen Landeck und Bludenz auf den Bus umsteigen. Die ÖBB informiert via Website.

Bauern durch Unwetter geschädigt

In Vorarlberg wurden vor allem Gemüse- und Obstbauern durch das Unwetter, das rund drei Stunden dauerte, geschädigt. Salatbauern verloren durch Hagel und Starkregen die gesamte Ernte, der Hagelschaden bei Obstbauern sei groß, lasse sich aber noch nicht beziffern, heißt es aus der Landwirtschaftskammer. Zwei Nutzgebäude wurden durch Blitzschläge in Brand gesetzt.

Unwetteropfer wurden auch die Bregenzer Festspiele. Da bei Gewitter aus Sicherheitsgründen nicht auf der Seebühne gespielt werden darf, wurde die Aufführung von "Carmen" ins Festspielhaus verlegt.

Über Vorarlberg und Tirol sind Mittwochabend und in der Nacht auf Donnerstag heftige Gewitter niedergegangen. Am stärksten betroffen waren die Orte Pettneu und Schnann, wo mehrere Muren abgegangen und zahlreiche Bäche über die Ufer getreten sind.
ORF

Keine Wetterwarnung

"Wo blieben die Warnungen?", fragten sich User lokaler Onlinemedien. Man habe auf die Möglichkeit lokaler Gewitter mit einer Vorwarnung reagiert, sagt Simon Hölzl von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Innsbruck. "Gewitterzellen per se" kann man nicht prognostizieren, sagt Hölzl. Man könne sie aber lokal eingrenzen. Deshalb sei auch keine generelle Wetterwarnung für Tirol und Vorarlberg ausgesprochen worden. Hölzl: "Wir befinden uns da auf einem schmalen Grat zwischen Fehlwarnung und realistischer Warnung." Schließlich wolle man ja nicht unnötig beunruhigen oder teure Einsätze auslösen.

Auch durch eine Wetterwarnung hätte man die Ereignisse im Tiroler Oberland, "eine Verknüpfung unglücklicher Umstände", nicht verhindern können. Hölzl: "Man kann Gewitter nicht aufhalten. Auch nicht verhindern, dass eine Straße verlegt wird." Am Mittwoch waren mehrere Faktoren zusammengetroffen. Einerseits die lange anhaltende Trockenheit, die hohen Temperaturen bis zu 35 Grad und im betroffenen Gebiet, dem Stanzertal, auch noch eine Klamm.

In Pettneu und Schnann habe sich das Gewitter "explosionsartig" entladen, es kam zu unerwartet starken Regenfällen. Die durch die lange Trockenheit verhärteten Böden konnten die Wassermassen nicht aufnehmen, Rutschungen und Muren wurden ausgelöst.

Bei Pettneu verlegte eine Mure die Arlbergbahnstrecke.
Foto: APA/Zeitungsfoto.at

Wer warnt wen?

Was läuft bei einer Wetterwarnung organisatorisch ab? DER STANDARD hat in der Vorarlberger Landeswarnzentrale nachgefragt. Warnungen würden nach Absprache mit den Experten der ZAMG ausgesprochen, sagt Philipp Bachmann. Man orientiere sich an vorgegebenen Schwellwerten. Vor Hochwasserwarnungen berate man sich mit den Verantwortlichen der Abteilung Wasserwirtschaft, die Pegelstände beobachten.

Muss eine Warnung ausgesprochen werden, werden Bürgermeister, Feuerwehrkommandanten, die Führung der Rettungsorganisationen, die Bezirkshauptmannschaft und zuständige Gemeindeabteilungen informiert. Über SMS-Dienste, Websites, Apps (wie Katwarn des Innenministeriums) und Social Media gehen die Warnungen an die Bevölkerung. Die Entscheidung, ob eine Warnung notwendig ist, hänge sehr von der Erfahrung der zuständigen Meteorologen ab, sagt Bachmann. Man müsse genau abwiegen, "wir wollen ja die Leute nicht verrückt machen".

Im Tiroler Oberland haben in der Nacht auf Donnerstag starke Regenfälle für Überschwemmungen und Erdrutsche gesorgt. Im Bild: Die Unwetterschäden in Schnann in Tirol.
Foto: APA/ZEITUNGSFOTO.AT

Es bleibt heiß

Bleibt der Sommer heiß wie gehabt? Meteorologe Simon Hölzl wagt eine Prognose: Die nächsten Tage bleibe es in Vorarlberg und Tirol heiß. Von Samstag auf Sonntag und am Sonntag sei mit Gewittern zu rechnen. Dann folge erneut eine heiße Woche. "Und dann sind wir schon über der Augustmitte, und da wird es erfahrungsgemäß kühler. Üblicherweise folgt Anfang September ein markanter Luftmassenwechsel, der den Sommer beendet." (Jutta Berger, 2.8.2018)