Wer an Verschwörungstheorien glaubt, greift eher zu Globuli und Co. Aber: Nicht jeder, der zu alternativen Heilmitteln greift, glaubt auch an Verschwörungstheorien.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Globuli gegen Heuschnupfen, Essenzen und Tinkturen gegen Erkältungen oder Kreislaufprobleme, Akkupunktur gegen Rheuma. Immer mehr Menschen suchen ihr Heil in alternativen oder komplementären Methoden anstatt in der Schulmedizin. Allein in Österreich vertrauen etwa zwei Drittel der Menschen auf Homöopathie. Internationalen Befragungen zufolge setzen je nach Land zwischen 40 bis 70 Prozent der Bevölkerung auf solche komplementär-alternative Methoden (CAM).

Aus der Perspektive der evidenzbasierten Medizin sind die Versprechen der CAM in den meisten Fällen unhaltbar. Bisher gibt es nur wenig wissenschaftliche Nachweise, dass die Therapien, die häufig mit Schlagwörtern wie "natürlich", "ganzheitlich" oder "energetisch" versehen werden, auch wirken. Ein Grund dafür: Häufig werden die alternativen oder komplementären Angebote gar nicht erforscht. Die wenigen Ausnahmen erhalten meist das Prädikat "wirkungslos". So helfen etwa Ginko-Extrakte nachweislich nicht gegen Tinnitus oder die Schaufensterkrankheit (periphere arterielle Verschlusskrankheit; Anm.), auch die Homöopathie hat keine Wirkung, die über den Placeboeffekt hinausgeht.

Einem Bericht des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Health Technology Assessment (HTA) zufolge zeigte, dass ein Nutzen von Akupunktur nur für zwei Indikationen – zur Migräne-Prophylaxe sowie gegen Becken- und Rückenschmerzen während der Schwangerschaft – gesichert ist. Für weitere sieben Indikationen könnte eine Wirksamkeit gegeben sein. Die WHO empfiehlt hingegen für insgesamt 108 Indikationen die Akupunktur – ohne entsprechenden Nachweis eines Nutzens.

Die Welt in der Hand von Mächtigen

Obwohl westliche Industrieländer hochentwickelte Gesundheitssysteme und eine breite medizinische Versorgung bieten, wenden sich viele Menschen komplementären und alternativen Methoden zu. Warum das so ist, haben nun Forscher der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) analysiert. Der Boom von Homöopathen, Geistheilern oder Energetikern hänge mit dem zunehmenden Glauben an Verschwörungstheorien zusammen. "Wir haben eine eindeutige Korrelation gefunden", sagt die Sozial- und Rechtspsychologin Pia Lamberty von der JGU.

Das heißt: Je mehr ein Mensch eine sogenannte Verschwörungsmentalität aufweist, desto mehr befürwortet er auch alternative Verfahren – und umso mehr lehnt er konventionelle Heilmethoden wie Impfungen oder Antibiotika ab.

Der Grund, warum wissenschaftliche Beweise und evidenzbasierte Medizin dagegen kaum etwas ausrichten können, erklären sich die Psychologen damit, dass eine Verschwörungsmentalität ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal ist. Demnach denken Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, dass die Welt von verborgenen Mächten beherrscht wird. "Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie selbst eine gewisse Machtlosigkeit empfinden", ergänzt Pia Lamberty.

Einfluss auf die Gesundheit

Besonders der Gesundheitsbereich dürfte ein fruchtbarer Boden für Verschwörungstheoretiker sein. Das zeigen zwei Studien, die Pia Lamberty und ihr Kollege Roland Imhoff durchgeführt haben. Insgesamt wurden 392 Probanden in Deutschland und 204 Studienteilnehmer in den USA über die Nutzung von insgesamt 37 verschiedenen Verfahren – angefangen von Aromatherapie und Bachblüten über Hypnose bis hin zu Yoga – abgefragt.

Die Probanden sollten beispielsweise angeben, wie häufig sie die jeweilige Therapie nutzen und wie effektiv sie ihrer Meinung nach ist. "In Deutschland fanden wir einen eindeutigen, unglaublich starken Zusammenhang zwischen Verschwörungsmentalität und der Befürwortung alternativer Methoden", berichtet Lamberty. In den USA konnte ebenfalls eine Korrelation gemessen werden, allerdings war diese weniger stark ausgeprägt.

Kampf gegen die Mächtigen

Was die Studien noch zeigten: Die Präferenz von CAM nährt sich vor allem aus einem Misstrauen gegenüber der Mächtigen. "Alles, was mit Macht in Verbindung gebracht wird wie zum Beispiel die Pharmaindustrie, wird von Verschwörungstheoretikern sehr skeptisch beurteilt", erklärt Lamberty.

In einer der Studien sollten die Probanden über die Zulassung eines fiktiven pflanzlichen Medikaments mit der Bezeichnung "HTP 530" gegen Ängste, Gastritis und leichte Depressionen entscheiden. Das Ergebnis: Personen mit stark ausgeprägter Verschwörungsmentalität bewerteten das frei erfundene Medikament HTP 530 als positiver und wirksamer, wenn als dessen Entwickler eine als machtlos geltende Patientengruppe angegeben wurde. Weniger wirksam erschien den Probanden das Mittel, wenn als Entwickler ein Pharmakonsortium angegeben wurde.

Das Fazit der Forscher: "Das individuelle Verständnis einer Erkrankung und die Wahl der Behandlung kann also mehr von ideologiegeprägten Persönlichkeitsmerkmalen abhängen als von rationalen Überlegungen." Was die Forscher noch betonen: "Nicht jeder, der zu alternativen Heilmitteln greift, glaubt auch an Verschwörungstheorien." Das ist zumindest ein schwacher Trost. (gueb, 3.8.2018)